Im November 2007 wurde auf der auf Vorschlag von George W. Bush abgehaltenen Konferenz von Annapolis ein Plan ausgearbeitet, der ein Abkommen zwischen Israel und den PalästinenserInnen zur Folge haben sollte. Nur etwas mehr als ein Jahr später liegt dieser Plan in Schutt und Asche. Die herrschende Klasse Israels konzentriert all ihre militärische Macht darauf, Gaza zu pulverisieren. Wieder einmal wird der Nahe Osten von den Flammen des Krieges verschlungen.
Am Samstag, den 3. Jänner schickte Israel eine große Anzahl von Truppen und Panzern für eine massive Bodenoffensive in den von der Hamas kontrollierten Gazastreifen, trotz der lauter werdenden Rufe aus Europa und der arabischen Welt nach einem sofortigen Waffenstillstand. Der Angriff wurde von dichtem Bombardement aus Kriegsflugzeugen, Helikoptern, der Artillerie und Marinekräften von der Küste begleitet und schnitt, laut lokalen Berichten, die Bevölkerung rund um Gaza City vom südlichen Streifen ab.
Der Invasion ging eine enorm zerstörerische Bombenwelle voran, die beträchtliche Erschütterung für die Kräfte der Hamas verursachte. Sie hat den Großteil der Infrastruktur ruiniert und viele Menschen, meist einfache ZivilistInnen, Männer, Frauen und Kinder getötet, von denen die meisten nichts mit der Hamas zu tun haben. Die Wirkung davon auf eine verängstigte Bevölkerung, die kaum Zugang zu Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung hat, kann nur erahnt werden. Es war vom Beginn weg klar, dass das nur das Vorspiel für eine Invasion war, denn die gesamte Geschichte beweist, dass mit Luftangriffen allein niemals ein Krieg gewonnen, ein Land erobert oder auch nur das Abfeuern von Raketen verhindert werden kann.
In rein militärischen Begriffen steht das kurzfristige Ergebnis außer Zweifel. Eine moderne, gut ausgerüstete, hochtrainierte und disziplinierte Armee steht irregulär zusammengesetzten Kampfeinheiten mit unterlegener Bewaffnung gegenüber. Die Israelis haben die volle Hoheit über den Himmel, wie sich im schrecklichen Luftangriff, der der Invasion voranging, gezeigt hat. Wenig überraschend läuft das erste Stadium der Offensive wie ein Uhrwerk ab. Die israelische Armee hat die Hauptstraße zu Gaza City blockiert und wie in einem eisernen Schraubstock umstellt.
Wenn die israelische Armee diese Dinge nicht tun kann, wäre die ganze Angelegenheit völlig kontraproduktiv. Wenn es versagt, würde Israel nicht nur die Verurteilung des Rest der Welt (wir sprechen nicht von der arabischen Welt) ernten, sondern sich als schwach entblößt haben – die Absicht der Übung ist allerdings genau die einer Darstellung der Stärke. Daher wird der Krieg unvermeidlich weitergehen, zumindest im Moment, ungeachtet der ernsthaften Proteste auf den Straßen oder der unernsthaften Proteste und Krokodilstränen der bürgerlichen PolitikerInnen.
Die SpitzenpolitikerInnen der westlichen Welt ringen ihre Hände ob der Gewalt und rufen nach einer Beendigung des Tötens. Doch der Standpunkt, den der Westen einnimmt, stinkt zum Himmel. George Bush ist selbst der größte Terrorist der Welt. Die USA und ihre Verbündeten haben weit mehr ZivilistInnen im Irak und in Afghanistan getötet als die Israelis in Gaza. Sie haben kein moralisches Recht, die Übel von Krieg und Terror zu verurteilen. Doch diese Damen und Herren behaupten das Recht, sich vor die Fernsehkameras zu stellen und Urteile über andere abgeben zu können.
Die Israelis kümmern sich nicht um diese Beschwerden. Sie sagen, dass der Krieg weitergehen wird, bis es Garantien dafür gibt, dass keine weiteren Raketenangriffe stattfinden. Israel organisiert eine umfassende Offensive zur Beeinflussung der öffentlichen Meinungsbildung (was gewöhnlich einschließt, dass ausländische JournalistInnen aus Gaza ferngehalten werden). Die Welt erfährt fortwährend, dass die Raketen der Hamas für Israels Sicherheit eine fürchterliche Bedrohung sind (obwohl sie bis zur Invasion nur vier Menschen getötet haben). Doch die Bilder von Kindern, die wie zerbrochene Puppen aus den Trümmern ihrer Häuser in Gaza geborgen werden, würden sie gern vor der Öffentlichkeit verstecken. Das Ziel ist, die alleinige Schuld für diese Krise der Hamas zuzuweisen und sie auf den globalen „Krieg gegen den Terror“ zu reduzieren. Der Krieg wird fortgesetzt und wird fortgesetzt werden, bis die Herrschenden in Israel befinden, dass sie alle oder die meisten ihrer Ziele erreicht haben.
Unerbittliches Vorrücken
Die israelische Armee rückt unerbittlich vor. Sie hat Gaza de facto entzwei geschnitten. Es stimmt, dass die Hamas ihre Kampfkapazität in der letzten Periode stark verbessert hat und dass ihr Kern aus ausgebildeten Kämpfern besteht, dennoch sie kann nicht darauf hoffen, gegen die israelische Armee zu bestehen. Die überwältigende militärische Überlegenheit der israelischen Armee war zu Kriegsbeginn schon sichtbar, als sie ohne große Mühe in Gaza eindrang. Von jetzt ab wird sich die Situation ändern. Ein Sprecher der Hamas warnte, dass Gaza ein „Friedhof“ für israelische SoldatInnen werden wird. Doch das ist eine Übertreibung. Zumindest ursprünglich schien es so, als ob die Hamas-KämpferInnen dem israelischen Angriff nur begrenzten Widerstand entgegensetzen würden.
Um ihre deklarierten Ziele zu erreichen, werden die Israelis bald in dicht bevölkertes Gebiet vordringen müssen, wo jede Allee, jedes Fenster und jedes Dach ein potenzieller Hinterhalt sein wird, jeder Eingang eine potenzielle Sprengladung und jeder vorbeigehende Passant ein potenzieller Selbstmordbomber. Die „Financial Times“ schrieb: „Die Hamasangehörigen werden dazu imstande sein, den israelischen Truppen Opfer zuzufügen, wenn sie das tödliche Labyrinth von Gaza City und seine Flüchtlingscamps erreichen, so wie sie in den tückischen Schluchten des Südlibanon aufgerieben worden sind. Israel hat in der Vergangenheit Gaza nicht kontrollieren oder die Hamas nicht niederwerfen können, selbst nicht nach Ermordung fast aller ihrer alten Führungskräfte.“
Wenngleich aus streng militärischer Sicht die Hamas die israelische Armee nicht besiegen kann, wird es keinen formellen militärischen „Sieg“ Israels über die Hamas geben. Bodengefechte in den überfüllten Straßen von Gazas Städten und Flüchtlingslagern wird viele weitere zivile Opfer bedeuten. Es wird auch bedeuten, dass die Israelis weitere Verluste verzeichnen werden. Sogar die Zerstörung der Raketen – scheinbar eine sehr bescheidene Aufgabe – wird nicht so leicht sein, weil sie hauptsächlich kleine, selbst gebastelte Vorrichtungen sind, die leicht bewegt und an verschiedenen Plätzen verborgen werden können.
Möglicherweise wird das Raketenfeuer stillgelegt oder zumindest reduziert, doch zu welchen Kosten hinsichtlich ziviler Leben kann nur erahnt werden. Die entsetzlichen Leiden der Menschen Gazas erregt die Aufmerksamkeit der Welt. 75% der Bevölkerung haben keinen Strom, die Spitäler sind überfüllt und Nahrung ist schwer erhältlich. Die Bilder der toten und verletzten Frauen und Kinder auf den Fernsehschirmen der Welt werden die Leidenschaft in der arabischen Welt weiter schüren, die internationale öffentliche Meinung weiter befremden und Israel weiter isolieren.
Gerechte und ungerechte Kriege
Es ist der Gipfel der Dummheit, die Haltung zum Krieg von der offiziellen Propaganda bestimmen zu lassen, die immer die Schuld der anderen Seite zuzuweisen und die Opfer als Aggressoren und die Aggressoren als Opfer darzustellen bestrebt ist. Genauso wenig klug ist es, sich von Gefühlen beeinflussen zu lassen und Krieg rein nach sentimentalen oder moralischen Begriffen zu bewerten. Das Wesen des Krieges – jeden Krieges – ist es, den Feind zu unterwerfen. Ob man das mag oder nicht, bedeutet das die Tötung von Menschen. Die Interessen der Kriegführenden diktieren die Kriege, ob ökonomisch, strategisch oder politisch. Ob man einen bestimmten Krieg als gerecht oder ungerecht betrachtet, hängt von diesen Faktoren ab und überhaupt nicht davon, wer den ersten Schuss abgegeben hat oder ob es eine Angelegenheit von Angriff oder Verteidigung ist. Wenn alle Bedingungen für einen bewaffneten Konflikt vorliegen, kann der tatsächliche Ausbruch der Feindseligkeiten durch einen Zufall ausgelöst werden. Es ist völlig oberflächlich, das Zufällige mit dem Wesentlichen zu vermischen.
Aus marxistischer Sicht sind die einzigen gerechten Kriege jene, die von den Unterdrückten und Ausgebeuteten gegen die Unterdrückenden und Ausbeutenden geführt werden. Solche Kriege hat es in der Geschichte immer gegeben, beginnend bei den von Spartakus und seiner Sklavenarmee geführten Kriegen gegen den römischen Sklavenhalterstaat. In solchen Fällen muss die ArbeiterInnenklasse immer auf Seiten der Schwachen und Unterdrückten gegen die Reichen und Mächtigen stehen. Der Krieg in Gaza ist ein solcher Krieg. Es ist der Krieg eines armen unterdrückten Volks, das gegen einen mächtigen imperialistischen Staat um seine Rechte kämpft. Das ist die Hauptsache. Alle anderen Fragen sind dem untergeordnet.
Die israelische Führung argumentiert, dass es sich um einen Verteidigungskrieg handelt. Jeder Staat, der Feindseligkeiten gegen einen anderen Staat beginnen will, muss gewisse Begründungen für seine Handlung finden. Doch wenn wir glauben, was da gesagt wird, hat es in der ganzen Geschichte nie einen Aggressorstaat gegeben. 1914 erklärte Britannien Deutschland den Krieg, um „das arme kleine Belgien“ zu verteidigen, obwohl dieses arme kleine Belgien Millionen KolonialsklavInnen im Kongo brutal unterdrückt hat. Gleichzeitig verteidigte Deutschland sich selbst gegen den barbarischen und aggressiven russischen Zarismus, und Russland verteidigte sich selbst gegen den aggressiven preußischen Militarismus und so weiter und so fort.
Dieser Krieg ist nicht anders. Ehud Olmert, Israels Premierminister, sagte, dass der Angriff darauf abzielte, die Kontrolle über die Schlüsselgebiete des Gazastreifens, von denen aus die Hamas und andere militante Gruppen ihre Raketen abfeuern, zu erlangen. Er beschrieb die letzte Eskalation als „unvermeidlich“ und fügte hinzu, dass die Offensive der Friedenssicherung für die BewohnerInnen des Landes im Süden dienen sollte. Nicht zum ersten Mal in der Geschichte stellt der Aggressor seine gewalttätige Aggression als einzigen Weg zur Friedenssicherung dar.
Das Argument, dass es sich um eine Antwort auf die Raketenangriffe der Hamas handelt, ist klar eine Ausrede, die die realen Motive verhüllen soll. Die von den Israelis ergriffene Taktik beweist klar, was ohnehin offensichtlich ist: diese Offensive wurde seit langem vorbereitet und passt zu einem gut durchdachten Plan. Dass die Hamas die Israelis entgegenkommenderweise mit einer bequemen Entschuldigung für die Aggression versorgt hat, geht am Kern vorbei. „The Economist“ (3. Jänner) veröffentlichte ein Editorial mit dem Titel „Gaza: Richtig und Falsch“, worin wir folgende Sätze lesen: „Doch wie beklagenswert auch immer, die Zuflucht Israels zu militärischen Mitteln zur Beendigung der Raketenangriffe der Hamas sollte keine Überraschung gewesen sein. Dieser Krieg war schon seit langem in Vorbereitung.“ (Hervorhebung durch A.Woods)
Was verursachte diesen Krieg?
Die Hamas feuerte Raketen auf Israel (und tut das weiterhin). Von einem militärischen Standpunkt aus sind diese Angriffe bloße Nadelstiche. Sie haben der Macht des israelischen Staats oder seiner Armee nicht einmal eine Beule versetzt. Was sie erreichten, war, Angst und Panik in der Zivilbevölkerung der betroffenen Gebiete zu säen und der israelischen Regierung den Vorwand zu liefern, den sie brauchte, um diese Offensive zu starten. Das hat dazu geführt, die Bevölkerung Israels hinter den reaktionärsten und streitsüchtigsten Elementen zu versammeln. Weit davon entfernt, den Zionismus zu schwächen, wurde er dadurch vielmehr gestärkt.
Wir können die Raketenangriffe auf zivile Ziele in Israel nicht verteidigen. Aber unsere Verurteilung dieser Methoden hat nichts gemeinsam mit der zynischen Scheinheiligkeit Bushs, der der größte Terrorist der Welt ist. Unsere Gegnerschaft zum Terrorismus beruht darauf, dass diese Methoden nicht funktionieren und völlig kontraproduktiv sind.
Auf jeden Fall ist klar, dass das wahre Motiv für die Invasion nicht die Raketenangriffe waren. Laut „New York Times“ ist die Anzahl der Raketen der Hamas vor der Offensive nicht gestiegen, sondern gesunken – von hunderten auf nur 15 oder 20 im Monat. Die Antwort Israels war jedoch brutal bis zum Äußersten. Die UN nennen das in ihrem üblichen höflichen Euphemismus „unverhältnismäßig“. Wir wollen diese Stellungnahme quantifizieren. Die Bibel sagt: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben für Leben. Doch in den ersten acht Tagen des Konflikts wurden mehr als 500 PalästinenserInnen im Gazastreifen getötet, wovon nach UN-Schätzungen mehr als ein Viertel ZivilistInnen waren. Im Vergleich dazu beklagte Israel fünf Menschenleben, davon zwei SoldatInnen. Das entspricht einem Verhältnis von hundert zu eins.
Tatsächlich hat Israel der Hamas schon vor langem den Krieg erklärt. Es gibt mehr als einen Weg, Krieg zu führen, einschließlich des Wirtschaftskrieges. Wir wollen daher die Schritte, die zum Krieg geführt haben, nachverfolgen. Als Israel 2005 aus der Mittelmeerenklave abzog, hatte es keine Absicht, den PalästinenserInnen die Ausübung wirklicher Selbstverwaltung zu gestatten. Seit das Volk von Gaza die Kühnheit besessen hatte, die Hamas vor drei Jahren zu wählen, haben die Israelis und der Westen Gaza einer unerbittlichen Wirtschaftsblockade unterworfen, die dazu geführt hat, die Ökonomie langsam abzuwürgen. Gleichzeitig hat Israel die Besetzung des Westjordanlands und des arabischen Ostens Jerusalems bedeutend vorangetrieben.
Die Hamas hat die Wahlen 2006 nicht deshalb gewonnen, weil die meisten PalästinenserInnen mit ihren Ideen übereinstimmen würden, sondern hauptsächlich, weil sie nach dem Versagen des sogenannten Friedensprozesses und Jahren der blutigen Intifada von der Korruption der Fatah-Führung und ihrer Kollaboration mit Israel angeekelt waren. Doch die sogenannten DemokratInnen des Westens waren nicht bereit, das Ergebnis der Wahl zu akzeptieren. Sie bevorzugen alle die Demokratie, solange die Wahlergebnisse ihren Interessen entsprechen. Doch wenn sie das Resultat nicht mögen, nehmen sie Zuflucht zu allen möglichen Mitteln, die gewählte Regierung zu unterminieren und zu stürzen, sei es die Regierung von Salvador Allende in Chile, Hugo Chavez in Venezuela oder der Hamas im Gazastreifen.
Darauf folgte ein blutiger Bürgerkrieg zwischen der Hamas und der Fatah, initiiert von den Israelis. Die Fatah-KämpferInnen versuchten im Sommer 2007, durch einen Putsch die Kontrolle über Gaza zu erhalten, wurden aber besiegt und die Hamas konnte ihre Macht in Gaza verstärken, sehr zur Bestürzung Israels und der USA. Letztere antworteten, indem sie das Volk von Gaza de facto einer Belagerung unterwarfen, gestützt von einer totalen diplomatischen Isolation. Durch diese Mittel entschied Israel unter Komplizenschaft der USA und der EU, die Menschen in Gaza durch langsames Aushungern zu bestrafen, sowohl jene, die die Hamas gewählt hatten wie auch jene, die das nicht getan hatten.
Das bedeutete bereits eine einseitige Kriegserklärung. Wenn in den USA, Britannien oder einem anderen Land durch die Handlungen einer fremden Macht die Häfen blockiert, die Straßen und Grenzen geschlossen und alle diplomatischen Verbindungen abgebrochen worden wären, wäre das ein Grund für eine Kriegserklärung. Die Hamas antwortete mit Raketenangriffen und Selbstmordanschlägen in Israel, was militärisch nutzlos war, aber den israelischen Falken gut in den Kram passte. Das alarmierte die Saudis und andere, die sich an ihre FreundInnen in Washington mit der Bitte um Intervention wandten, um einen neuen Konflikt, der den gesamten Nahen Osten destabilisieren könnte, zu verhindern.
Im letzten Sommer vermittelte die ägyptische Regierung, von den Ereignissen in Gaza und den Auswirkungen auf die ägyptische Bevölkerung erschüttert, langwierige Verhandlungen mit den Israelis, die schlussendlich in einen sechsmonatigen Waffenstillstand mündeten. Ägypten ermöglichte auch Gespräche zwischen der Hamas und der Fatah mit der Perspektive der Errichtung geteilter Macht, um zwei Jahren brutaler Machtkämpfe ein Ende zu bereiten.
Doch all das löste sich sofort auf. Israel zog die Handelsbeschränkungen fester und verweigerte die Freilassung auch nur eines der tausenden Hamas-Gefangenen. Das waren klare Provokationen, die dazu geeignet waren, die gemäßigten Mitglieder der Hamas zu schwächen und eine militärische Konfrontation zu erzwingen. Andererseits ging die Fatah mit ihrer Hochburg im Westjordanland gegen die Hamas rigoros vor, indem sie Dutzende verhaftete und etwa 400 LehrerInnen, denen sie Verbindungen zur Hamas nachsagten, entließen.
Nach dem Waffenstillstand gab es keinen ernsthaften Versuch, mit der Hamas zu verhandeln. Stattdessen gab es eine Provokation nach der anderen. In Israel riefen die nahenden Wahlen und die Regierungskrise ebenfalls eine Verhärtung der Haltungen hervor. Unter solchen Bedingungen konnte es sich kein israelischer Politiker leisten, in der Frage der Hamas weich zu erscheinen. Im Gegenteil gab es eine Art Konkurrenz darum, wer die kampfeslustigsten Reden liefern konnte. Wenn sich zwei Seiten auf Krieg vorbereiten, können streitlustige Reden eine eigene Logik gewinnen.
Wenn man ein Tier in die Ecke treibt, wird es beißen – das weiß man. Die Kampfpause war bereits vor der Beendigung des offiziellen Waffenstillstands am 19. Dezember gebrochen. Die Hamas-Führung kam zum Schluss, dass das Abkommen mit Israel für Gaza keine Gewinne gebracht hatte. Sie wiederholten ihre Anschuldigungen, dass Abbas an die westlichen Hintermänner verraten und nichts anderes als die Zerstörung der Hamas gewollt hatte. Ägypten, der angebliche Vermittler, war in Wahrheit Komplize der israelischen Belagerung. Aus der Sicht der Hamas-Führung ließ ihr das Versagen des Waffenstillstands keine andere Alternative als die Fortsetzung des Raketenbeschusses auf Israel.
Dieses blutige Zug-um-Zug war dazu gezwungen, in einen offenen Ausbruch von Feindseligkeiten zu münden. Die finale Provokation ereignete sich im November, als Israel sechs bewaffnete Männer tötete, von denen es behauptete, dass sie Tunnels graben würden, die zu einem Überraschungsangriff auf Israel dienen sollten. Die Hamas reagierte mit einem Raketensperrfeuer, das Israel den Vorwand verschaffte, eine seit langem vorbereitete Offensive zu starten. Die Invasion von Gaza war das unvermeidliche Ergebnis.
Die Ohnmacht der „Vereinten Nationen“
Wieder einmal haben die sogenannten Vereinten Nationen ihre völlige Unfähigkeit bewiesen. Als der Sicherheitsrat sich auf das Treffen für Samstag nacht vorbereitete, telefonierte der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon mit dem israelischen Premierminister Ehud Olmert, um tiefe Betroffenheit über Israels Bodenoperation zu äußern. „Er ist davon überzeugt und besorgt, dass diese Eskalation unausweichlich das bereits schwere Leid der betroffenen Zivilbevölkerung vermehren wird“ lautet eine Stellungnahme aus Herrn Bans Büro. O ja, sie sind alle tief „betroffen“. Aber die Betroffenheit dieser Herren verhindert keinen einzigen Tropfen Blutvergießen und hat einen völlig theatralischen Charakter.
Seit einem halben Jahrhundert verabschiedet die UN Resolutionen zur palästinensischen Frage, ohne das geringste Ergebnis. Jetzt sind sie nicht einmal dazu imstande, eine Resolution zu verabschieden. Binnen Stunden nach dem Beginn von Israels Offensive blockierten die USA einen Aufruf des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen nach sofortigem Waffenstillstand, der vom einzigen arabischen Mitglied des Rats, Libyen, ausging. Obwohl es „strenge Übereinstimmung“ innerhalb des Rats bezüglich der Notwendigkeit, „die Gewalt aufzuhalten“, gab, verweigerten die USA sogar den Kompromiss einer gemeinsamen Presseerklärung. Die Stellungnahme des Präsidenten erfordert die Übereinkunft aller 15 Mitglieder und wäre auf jeden Fall hinter einer verbindlichen UN-Resolution zurückgeblieben.
Die UN-Vertreter vermuten, dass die Opposition der USA gegen jedes Ergebnis, das Kritik an Israel geheißen hätte, von den Stellungnahmen des Weißen Hauses bestimmt waren, das seit Beginn der Krise die Schuld der Hamas zuwies. Natürlich ist das so! Die Stellungnahmen von Alejandro Wolff, US-Abgeordneter, gaben nur die Statements der Bush-Regierung, einschließlich jenem von Staatssekretärin Condoleezza Rice, wieder, demgemäß die Situation in Gaza „sich nicht wieder den Status quo ante erreichen dürfe“.
Was heißt das? Es heißt, dass, bis die israelische Armee das Volk in Gaza in den Boden gestampft und die Hamas zerstört hat, Waffenstillstand kein Thema ist. Diese brutalen Aussagen sind nur Anerkenntnis der grausamen Realität der Situation. Und die Sackgasse der UN zeigt grausam die Ohnmacht des Sicherheitsrates. Nach einer ergebnislosen dreieinhalbstündigen Sitzung Samstag Nacht wiederholte Mr. Wolff die Lüge, dass der Ursprung der Krise in den fortgesetzten Raketenangriffen auf Israel liege. Die US, sagte er, „sahen keine Aussicht darauf, dass die Hamas einen von den UN geforderten Waffenstillstand befolgen würden“ und daher wäre es dem Rat abträglich, Stellungnahmen abzugeben, an die man sich nicht halten würde.
Dieses Stück Klügelei verdient einen Ehrenplatz in den Annalen der diplomatischen Scheinheiligkeit. Erstens gibt es in einem Krieg immer zumindest zwei Seiten. Es wird vorausgesetzt, dass die Hamas die Resolution nicht akzeptieren würde, daher wäre sie „Zeitverschwendung“. Hier erwähnt der US-Vertreter in den UN nur eine Seite – die Hamas -, aber nicht Israel. Würde Israel den Aufruf der UN zu einem Waffenstillstand akzeptieren oder nicht? Diese Frage bleibt unbeantwortet.
Zweitens ist das Argument völlig falsch. Nach dieser Logik hätte es keinen Sinn gehabt, hinsichtlich des behaupteten Besitzes von Massenvernichtungswaffen des Irak UN-Resolutionen vor der US-Invasion in dieses Land zu verabschieden. Zumindest taten die USA damals so, als ob sie „Friedensresolutionen“ in den UN verabschieden würden. Hier unterstützen sie offen einen Akt nackter Aggression, ohne jede diplomatische Verbrämung. Und die UN sagen: „Amen!“
Tatsächlich enthüllt diese Episode die wahre Position der UN und die Haltung Washingtons. Die ImperialistInnen nützen die UN als Quatschbude, um den Mythos des „internationalen Gesetzes“ und die Existenz einer weltumspannenden Organisation, die höher als die nationalen Interessen der großen Mächte steht, aufrechtzuerhalten. Das soll unwissende Menschen glauben lassen, dass sie sich an die UN wenden könnten, um Kriege zu beenden. Die linken ReformistInnen neigen besonders dazu, solchen Illusionen zu erliegen. Aber in Wahrheit werden die Angelegenheiten, wie es immer war, mit Gewalt geregelt. Nur hoffnungslose PazifistInnen und Leute, die an Märchen glauben, können noch Vertrauen in die UN haben. Internationale Diplomatie im Allgemeinen und besonders die Diplomatie der UN bleibt, was sie immer war: eine zynische Täuschung der Menschen und eine bequeme Maske für Aggression.
Obama und Bush
Es ist wohlbekannt, dass die Interessen des US-Imperialismus im Nahen Osten, sowohl strategisch wie ökonomisch (Öl) auf dem Spiel stehen. Es ist ebenso wohlbekannt, dass der einzige verlässliche Verbündete, den Washington im Nahen Osten hat, Israel ist. Diese Tatsache erklärt die Haltung von George Bush zu diesem Konflikt.
Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein, dass, obwohl Israel treuer Verbündeter des US-Imperialismus in der Region ist, das nicht bedeutet, dass es keine eigenen Interessen hat und dass diese nicht notwendigerweise immer und bei jeder Gelegenheit mit jenen der USA übereinstimmen. Während des Kalten Krieges, als die UdSSR noch existierte und sich Länder wie Ägypten, Syrien und Irak in ihrer Einflusssphäre befanden, war Amerika dazu gezwungen, Israel fast bedingungslos zu unterstützen. Doch seit dem Sturz der UdSSR vor 20 Jahren hat sich das Bild ein wenig verändert.
Washington muss Beziehungen zur arabischen Welt pflegen, die Nerven Saudi Arabiens beruhigen und FreundInnen und einflussreiche Leute (besonders jene mit Öl) gewinnen. Deshalb hat Bill Clinton 2000 begonnen, Druck auf Israel zur Erreichung eines Handels mit der PLO auszuüben. Die israelische herrschende Klasse war davon nie begeistert, doch sie hatte keine Alternative als die Zähne zusammenzubeißen und zu akzeptieren, da Washington die Rechnungen zahlt und, wie wir wissen, als Flötenspieler immer die Musik vorgeben wird. Das Ergebnis war die Abschaffung der Vereinbarungen von Oslo und Madrid, die einen beschnittenen Kleinstaat im Westjordanland vorsahen, abgeschnitten vom Gazastreifen. Das war eine komplette Farce, die niemanden zufrieden stellte. Die PalästinenserInnen akzeptierten das auf der Grundlage, dass das nur ein erster Schritt in Richtung eines wirklichen palästinensischen Staats sein sollte. Doch 20 Jahre später sind wir diesem Ziel keinen Schritt näher.
In den letzten Tagen seiner Regierung erteilt Bush einmal mehr bedingungslose Unterstützung für Israel, Gaza anzugreifen. Das war vorherzusehen. Zumindest redet George Bush offen. Es gibt keinen Zweifel, auf wessen Seite er in diesem Krieg steht. Doch wie steht es mit dem kommenden Präsidenten, dem neuen Wunderwuzzi, dem Friedensbringer Barack Obama? Was ist seine Position zum Krieg und was hat er dazu zu sagen? So weit er bislang mit dem Vorwand, dass er „noch nichts Präsident“ ist und „Amerika mit einer Stimmer sprechen“ muss, überhaupt etwas gesagt hat.
Trotz seines diplomatischen Schweigens wissen wir sehr gut, was Obama denkt. Bei einem Besuch in einer israelischen Stadt im Juli letzten Jahres sagte er: „Wenn jemand Raketen auf mein Haus abfeuert, in dem nachts meine beiden Töchter schlafen, werde ich alles in meiner Macht stehende tun, um dem ein Ende zu setzen. Und ich würde von den Israelis dasselbe erwarten.“ Mr. Obama vergisst das kleine Detail zu erwähnen, dass das palästinensische Gebiet von Israelis besetzt ist, so wie das Gebiet der Vereinigten Staaten im 18. Jahrhundert von Britannien besetzt war, als das amerikanische Volk, wegen Mangels an Raketen, andere gleichermaßen gewaltsame Mittel anwendeten, um die Invasoren zu vertreiben.
Es gibt also keine Unterschiede zwischen Bush und Obama? Die Interessen des US-Imperialismus im Nahen Osten sind es, die die Handlungen beider Männer bestimmen. In diesem Sinn gibt es keinen wirklichen Unterschied. Doch es gibt wesentliche Differenzen, wie sie diese Interessen auslegen, so wie veränderte Umstände die politischen Taktiken jener, die dieselben Interessen haben, abwandeln können. Das Motto der US-Marines ist „Sprich sanft und trag einen großen Stock“. Doch wie sein Vorgänger Ronald Reagan repräsentiert George W. Bush den aggressivsten, provinziellsten und einfältigsten Flügel der herrschenden Klasse der USA. Seine natürliche Neigung tendierte zum lauten Sprechen und dazu, jeden in Sichtweite mit einem Baseballschläger zu schlagen. Diese Taktik kann manchmal in ihrer Rohheit wirksam sein, doch auf lange Sicht viel Kopfschmerz verursachen.
Obama ist ein subtilerer und intelligenterer Repräsentant des Imperialismus als Bush. Er ist Erbe einer schwierigen Situation, sowohl in den USA wie auch international. Es gibt eine Wirtschaftskrise, wachsende Arbeitslosigkeit und sinkende Lebensstandards im Inland sowie eine Kette von Desastern in der Außenpolitik. Es gibt wachsenden Pessimismus und Unzufriedenheit in den USA, was seinen Ausdruck in der Wahl Obamas fand und womit er etwas zur Befriedung zu tun gezwungen ist. Eines der Wahlversprechen Obamas war der Beginn des Rückzugs der US-Truppen aus dem Irak. Die Öffentlichkeit der USA, die dem Krieg nun befremdet gegenübersteht, wird die Erfüllung dieses Versprechens fordern. Doch daraus ergeben sich gewisse Dinge.
Es wird unmöglich sein, einen Rückzug aus dem Irak durchzuführen, wenn Washington nicht zu Verhandlungen sowohl mit Syrien als auch dem Iran bereit ist, die beide auf den Irak und andere Teile der Region Einfluss haben. Aber Damaskus und Teheran werden einen harten Kurs einschlagen und ein Teil des Handels muss die palästinensische Frage beinhalten. Da Syrien und der Iran seit langem als Verteidigende der palästinensischen Sache auftreten, ist es undenkbar, dass diese Angelegenheit nicht auf der Tagesordnung stehen wird.
All das ist Israel bekannt und muss ein wesentliches Element in der Entscheidung zur Invasion in den Gazastreifen gewesen sein. Wie es der „Economist“ ausdrückt: „Mit der nuklearen Bedrohung des Iran am Horizont und dem wachsenden iranischen Einfluss im Libanon und in Gaza, ist Israel daran gelegen, seine Feinde zu erinnern, dass der jüdische Staat noch immer kämpfen und noch immer gewinnen kann.“ So sagen die israelischen ImperialistInnen Obama (und jedem anderen, der es hören will): Vergiss nicht, dass es uns noch gibt und dass wir eine Macht sind, mit der zu rechnen ist! Wir können jeden Handel eingehen oder brechen. Uns zu ignorieren geschieht auf eigene Gefahr!
Differenzen unter den ImperialistInnen
Wie immer gibt es zwischen den imperialistischen Mächten Nuancierungen, je nachdem welche materiellen Interessen auf dem Spiel stehen. Es gibt Differenzen zwischen den USA und Europa, ebenso wie es Differenzen innerhalb der EU und auch zwischen Bush und Obama gibt. Während auf kurze Sicht diese Differenzen den Verlauf des Kriegs in Gaza nicht verändern werden (die Israelis haben ihre eigenen Interessen, an denen sie festhalten), können sie doch wesentliche Folgen auf die Zeit nach dem Krieg haben.
Die StrategInnen des Imperialismus zeigen sich angesichts dieses Konflikts ernsthaft besorgt. Diese Besorgnisse haben nichts mit humanitären Überlegungen, dem Verlust von Leben oder dem Leiden der PalästinenserInnen zu tun. Sie spiegeln die Gefahren, die für die Interessen des Imperialismus im Nahen Osten, der ein Schlüsselgebiet in der weltweiten Arena darstellt, bestehen. In einem Editorial vom 4. Jänner schrieb die „Financial Times“ unter dem Titel „Ein gefährliches Spiel im Gazastreifen“:
„Israels Entscheidung, Bodentruppen und Panzerfahrzeuge in den Gazastreifen zu schicken, ist ein gefährliches Spiel. Wenn es das Ziel ist, die Anzahl von Raketenangriffen der Hamas auf die benachbarten südisraelischen Städte zu reduzieren, so ist das wahrscheinlich erreichbar – derzeit. Doch wenn Israel seinen unversöhnlichen palästinensischen GegnerInnen das Herz herausschneiden will, wird es scheitern.
In jedem Fall werden die vermehrten Opfer unter Einschluss von ZivilistInnen durch Israels unverhältnismäßige Luft-, See- und Artilleriebeschüsse auf dicht bevölkerte städtische Gebiete seinen Ruf beschmutzen und damit die gemäßigten arabischen und palästinensischen MeinungsführerInnen untergraben, sodass seine politische Position ernsthaft geschwächt werden wird.“
Daher sind manche Regierungen, v.a. in Europa, sorgsam darauf bedacht, den Feindseligkeiten so rasch wie möglich ein Ende zu setzen und zur Vermittlung irgendeines Abkommens beizutragen. Alarmiert von den möglichen Auswirkungen der Invasion in Gaza hat die EU nicht nur eine, sondern zwei Missionen in das Gebiet entsendet, obwohl es unklar ist, was sie anderes erreichen können als ein zufriedenstellendes Gehalt zu verdienen. Sie wollen „einen international kontrollierten Waffenstillstand ausreichender Dauer als Basis zur Fortsetzung und Zusammenfassung von Verhandlungen; Israel sollte die Blockade aufheben; es sollten Neuwahlen zur Ernennung von VertreterInnen der PalästinenserInnen stattfinden – die Fatah, deren Position durch diese Krise stark erschüttert ist, die Hamas oder eine Kombination beider.“ („Financial Times“)
PolitikerInnen wie Gordon Brown und Tony Blair vergießen Krokodilstränen über die Schrecken der Gewalt, den Tod von unschuldigen Menschen und so weiter und rufen fortwährend nach Frieden („sofortiger Waffenstillstand“). Das klingt sehr nett, ist in Wirklichkeit aber leeres Gerede. Es ist Fakt, dass nicht Frieden, sondern Krieg herrscht und unsere Haltung zum Krieg ist nicht von der Tatsache bestimmt, dass Menschen sterben (das tun sie immer in Kriegen), sondern davon, was die wahren Ursachen des Konflikts sind und wessen Interessen auf dem Spiel stehen.
Frankreich spielt wie üblich sein eigenes Spiel im Nahen Osten. Es ist kein Zufall, dass Abbas am Montag den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in Ramallah getroffen hat. Anders als Britannien ist Frankreich nicht immer gewillt, nach Washingtons Pfeife zu tanzen und seine nationalen Interessen jenen Israels und der USA zu opfern. Frankreich möchte Zugriff auf das Öl und die Märkte des Nahen Ostens, die vom US-Imperialismus begehrt werden und ist bereit, in trüben Gewässern zu fischen und Washington gelegentlich auf die Zehen zu steigen, um seine Beziehungen zur arabischen Welt zu verbessern. Doch in letzter Analyse ist Frankreich nur ein kleiner Teilnehmer am globalen Spiel. Sein Versuch, sich als „Freund der Araber“ zu positionieren, kann nichts entscheiden – abgesehen davon, dass er scheinheilig ist.
Wieder einmal erscheint die britische Regierung als der untertänigste Lakai Washingtons. Der einzige Unterschied zwischen den beiden ist, dass, wo Bush mit zynischer Offenheit spricht, die Stellungnahmen der BritInnen ein scheinheiliger Kauderwelsch sind, die einen falschen Eindruck von Unparteilichkeit geben sollen, wie Zyankalipillen mit Zuckermantel. John Sawers, Britanniens Botschafter bei den UN, sagte, dass er vom Scheitern des UN-Treffens von Samstag Nacht sehr „enttäuscht“ sei. Er sagte, dass die Idee des Einsatzes von Überwachungsorganen erörtert werden sollte. Es müssten Wege gefunden werden, den Waffenschmuggel nach Gaza, der zur Krise beigetragen hätte, zu verhindern.
Was heißt das? Wie können Überwachungsorgane eingesetzt werden, wenn ein Krieg tobt? Was sollen sie überwachen? Die Tatsache, dass Menschen getötet werden? Das können wir auf den Fernsehbildschirmen sehen. Überwachungsorgane können nur entsendet werden, um einen Waffenstillstand zu kontrollieren. Nachdem es keinen Waffenstillstand gibt, was wäre die Rolle der Überwachungsorgane? Nur diese: den Waffenschmuggel nach Gaza zu verhindern. Israel besitzt die stärkste Armee der Region und ist mit den modernsten Vernichtungswaffen ausgerüstet. Im Vergleich dazu ist das palästinensische Arsenal liliputanisch. Trotzdem konzentriert sich für die britische Diplomatie die gesamte Angelegenheit darauf, verhindern zu müssen, dass Waffen an PalästinenserInnen gelangen, die „zu dieser Krise beitragen“ können.
Ist das nicht köstlich? Was sie in London (und Washington) vorschlagen, ist, die PalästinenserInnen angesichts fortwährender israelischer Aggression zu entwaffnen. Sie wollen also die Unterdrückten angesichts der Unterdrückenden entwaffnen. Doch da gibt es ein kleines Problem, das ziemlich sicher „zu dieser Krise beitragen“ kann, denn die PalästinenserInnen haben bereits Waffen und verwenden sie zu ihrer Selbstverteidigung. Was soll mit diesen Waffen getan werden? Sie müssen den PalästinenserInnen aus den Händen genommen werden (um den Frieden zu sichern). Da die PalästinenserInnen sich leider weigern, die Waffen abzulegen, muss sie ihnen jemand mit Gewalt abnehmen (um des Friedens willen, natürlich). Dieser Jemand ist die israelische Armee, die den Job des „Friedenmachens“ (durch Krieg) bereits sehr gründlich erledigt.
Und so wischen sich die professionellen DiplomatInnen in London seufzend Tränen aus ihren Augen – und stehen gehorsam stramm hinter den AmerikanerInnen und Israelis. Die öffentlichen Erklärungen der Sympathie mit den unschuldigen Opfern der Gewalt (99 Prozent davon PalästinenserInnen) sind nur eine Nebelwand, um vor einem entrüsteten Publikum die Politik zu verschleiern, die die „demokratischen“ Regierungen Europas und der Vereinigten Staaten vollziehen und nichts tun, während Gaza zerschlagen wird.
Israels Ziele
Was sind die Kriegsziele Israels in diesem Konflikt? Sie wollen so viel wie möglich vom militärischen Potenzial der Hamas vernichten, die Bevölkerung Gazas einschüchtern und bedrohen und anderen Ländern in der Region eine Warnung zukommen lassen (und indirekt auch Washington), dass sie eine Macht sind, mit der man sich nicht anlegen sollte. Obwohl die Raketen der Hamas nicht der Hauptgrund der Invasion waren, kann Israel nicht behaupten, gesiegt zu haben, wenn weiterhin Raketen auf Israels Boden fallen.
Sie werden daher fortfahren, systematisch so viel wie möglich von den Kräften und der militärischen Infrastruktur der Hamas zu zerstören. Zuerst müssen sie die Raketen, die auf israelisches Territorium abgeschossen werden und die als Kriegsgrund dargestellt werden, lokalisieren und vernichten. Dann müssen sie versuchen, so viele Führungskader der Hamas zu finden und zu töten, wie sie können und diese (wie sie hoffen) als ernstzunehmende Kampfkraft zu pulverisieren. Sie wollen die Versorgungslinien, die die Hamas befähigen, Waffen und anderes Material aus Ägypten zu erhalten, unterbinden. Das wird Zeit brauchen und der Krieg wird weitergehen, bis sie all diese Ziele erreicht haben.
Es gibt noch andere Ziele, die nicht militärisch, sondern politisch sind und niemals erwähnt werden. Das erste bezieht sich auf die kommenden Wahlen in Israel, wo es eine wachsende wirtschaftliche, soziale und politische Krise gibt. Als Reflexion dieser Krise haben sich in der politischen Führung einer zunehmenden wackeligen Koalition eine Reihe von Spaltungen entwickelt. Es gab interne Kämpfe bezüglich der Strategie zwischen Tzipi Livni, der Außenministerin und Führerin der regierenden Kadima-Partei und Ehud Barak, dem kriegstreiberischen Verteidigungsminister und Führer der Labour-Partei. Dieser interne Kampf erreichte den Punkt, dass „Haaretz“, eine führende Zeitung, zu einem Waffenstillstand aufrief – im israelischen Kabinett.
Die allgemeinen Wahlen werden im Februar stattfinden und es ist klar, dass beide Führungspersonen mit Benjamin Netanyahu, dem Führer der rechtschauvinistischen Likud-Partei konkurrieren. Besonders Barak bemüht sich, noch aggressiver und nationalistischer als der Falke Netanyahu zu klingen. Diese Wahlüberlegungen sind zweifelsohne ein Faktor in der Situation, aber sie erschöpfen die Frage nicht. In einer solch wichtigen Angelegenheit wie Krieg müssen fundamentalere Fragen als Wahltaktik auf dem Spiel stehen und andere Interessen eingebunden sein.
Ein wesentliches Element in der Gleichung ist das Ansehen der israelischen bewaffneten Kräfte, das im 34-Tage-Krieg gegen die Hisbollah im Libanon 2006 ernsthafte Schrammen abbekommen hatte. Das israelische Militär, das noch immer an seiner Erniedrigung im Libanon leidet, möchte die Überlegenheit der israelischen Kampfkraft beweisen. Es will die Glaubwürdigkeit von Israels abschreckender Macht wieder herstellen. Ein Angriff auf Gaza erwies sich als ideale Gelegenheit und die Pläne dafür sind offensichtlich schon vor langer Zeit vorbereitet worden. Die Frage der Raketen war nur der Vorwand für einen unausweichlichen Konflikt.
Die aktuelle Situation in Gaza ist eine direkte Folge des Kriegs im Südlibanon 2006, doch ist es keineswegs sicher, dass das Ergebnis vergleichbar sein wird. Die israelischen Generäle hatten genug Zeit, ihre Lektionen zu lernen und sind wahrscheinlich besser vorbereitet. Ihre Absicht ist es jetzt, einen begrenzten Schlag auszuführen, der die Kampfkapazität der Hamas ernsthaft beschädigen und viele der Führenden und Kämpfenden vor dem Rückzug töten soll, um so maximalen Schaden an der Wirtschaft und Infrastruktur von Gaza anzurichten, der lange Zeit benötigen wird, bis er wieder behoben ist.
Anders als der Krieg im Libanon ist das keine überstürzte und improvisierte militärische Antwort, sondern wurde sorgfältig vorbereitet. Die äußeren Bedingungen dieses Kriegs sind ebenfalls andere. Klein, flach und isoliert erweist sich Gaza als weit einfacheres Operationsgebiet als der Libanon. Die Israelis hatten den Streifen bald entzweigeschnitten. Das verleiht der israelischen Armee eine Position, die sie halten kann, sollte sie längere Zeit in Gaza bleiben müssen, wenn nötig durch Reduktion der konzentrierten Kampftruppen im Norden, um vom Süden weitere Unterstützung zu bekommen. Obwohl es alle möglichen Wendungen geben kann, hat im Moment Israel Gaza am Hals.
Die Hamas
Die Hamas steht unter massivem Druck, die internationalen Forderungen nach einem Waffenstillstand zu akzeptieren. Nach dem grimmigen Beschuss, unter dem sie stand, scheint sie anzudeuten, dass sie zu einem Waffenstillstand bereit wäre, einschließlich eines Stopps der Raketenangriffe auf Israel. Doch Israel wird den Krieg vermutlich nicht gerade jetzt beenden. Es verlangt nicht nur, dass die Hamas die Raketenangriffe einstellt, sondern, dass es Israel akzeptiert, auf Gewalt verzichtet und sich an die früheren Friedensvereinbarungen hält. Kurz, es verlangt bedingungslose Kapitulation.
Früher oder später wird es nach Ende der Kämpfe neue Bemühungen um eine Vereinbarung geben. Die Wahrscheinlichkeit irgendeines Abkommens zwischen Syrien, dem Iran und den USA vor Ende des Kriegs muss die Hamas-Führung, die in tiefer Abhängigkeit von finanzieller und militärischer Unterstützung durch Damaskus und Teheran steht, beunruhigen. Letztere stehen im Ruf, Freunde der PalästinenserInnen zu sein. Doch die gesamte Geschichte zeigt, dass das palästinensische Volk kein Vertrauen in die Freundschaft anderer Regierungen setzen sollte, denn, wie es heißt, Länder haben keine Freunde, nur Interessen. Wenn die Interessen Syriens und des Iran mit jenen der PalästinenserInnen kollidieren, ist es nicht schwer zu erahnen, was sie tun werden.
Diese Angst der Hamas-Führung mag der Grund für ihr Verhalten in den letzten Monaten gewesen sein. Aus den öffentlichen Erklärungen mancher Hamas-Führer geht hervor, dass sie hoffen, dass das Leiden der PalästinenserInnen das Bewusstsein der Welt wachrütteln und andere Muslimnnen dazu bewegen würde, sich ihnen anzuschließen. Darin hatten sie Erfolg. Doch wenn sie sich vorgestellt haben, dass das genug wäre, Israel in die Knie zu zwingen, hätten sie traurig getäuscht. Nachdem die Offensive begonnen hatte, gab es für Israel kein Zurück, egal wie viele Demonstrationen abgehalten oder wie viele EU-Missionen entsandt wurden.
All diese Elemente müssen die Taktik der Hamas bestimmt haben, die sonst nur selbstmörderisch zu nennen wäre. Sie organisierte Raketenanschläge auf Israel und hielt ein Sperrfeuer von Anschuldigungen gegen die Fatah aufrecht. Im letzten Winter arrangierte sie den dramatischen Vorstoß an der Grenze zu Ägypten, um das Elend in Gaza bekannt zu machen und die Menschen Ägyptens zu ihrer Unterstützung zu gewinnen. Das wurde von der ägyptischen herrschenden Klasse, die sich wachsender Unzufriedenheit als Ergebnis der sich vertiefenden Wirtschaftskrise und sinkender Lebensstandards gegenüber sieht, nicht geschätzt.
Auswirkungen auf globale Beziehungen
Die Konsequenzen dieses Kriegs werden für die US-Außenpolitik weitreichende sein. Das ist nicht der 11. September! In der neuen Lage der Welt können die USA ihre Ziele nicht länger ohne den Rückhalt ihrer regionalen Partner wie China, Europa und Russland erreichen. Darum werden wesentliche Differenzen in der Außenpolitik zwischen Obama und Bush deutlich werden. Doch in der Außenpolitik führt ein Ding zum anderen. Russlands Unterstützung für das, was die US als ihr dringlichstes Interesse im Nahen Osten betrachten, zu erlangen, erfordert, dass Washington die russischen Interessen irgendwo anders in Rechnung stellt.
Das wird wahrscheinlich heißen, dass die US zustimmen, Pläne zur Raketenabwehr in Europa auf Eis zu legen, unter der Bedingung, dass Russland Schritte setzt, das iranische Nuklearprogramm zu bremsen. Ähnlich könnte die Ausdehnung der Nato bezüglich der Aufnahme von Georgien und der Ukraine behindert werden. Da nichts davon die wesentlichen Interessen der Großmächte betrifft, können solche „Opfer“ leicht gebracht werden, wie man einen nutzlosen Bauern im Schachspiel opfert.
Gleichermaßen müssen im Nahen Osten „Opfer“ gebracht werden. Die Tatsache, dass David Miliband, der britische Außensekretär, vor kurzem Syrien besucht hat, war ein Zeichen, dass die Maschinerie der Diplomatie schon in Gang gekommen ist. Der Grund dafür ist ziemlich klar: Washington will sich mit einem Minimum an Aufhebens aus dem Irak zurückziehen. Es muss seinen Rückzug schützen und braucht daher die Zusammenarbeit Syriens und des Iran. Doch weil es peinlich für Mr. Bush wäre zuzugeben, dass er mit einem „Terroristenstaat“ spricht, schickt er den Botenjungen aus London. Für ihren Teil sind Syrien und der Iran darauf bedacht, die AmerikanerInnen so bald wie möglich von hinten zu sehen und hätten gern möglichst bessere Beziehungen mit dem transatlantischen Riesen mit der Möglichkeit zum Handel und zu Investitionen, die sich daraus ergeben würden.
Zu schwach um Krieg zu führen hat sich Syrien stark genug erwiesen, seinen Nachbarn Frieden zu verweigern, wie wir aus seiner Einmischung im Libanon ersehen. Auch den dickhäutigsten Gemütern in Washington dämmert es, dass die Möglichkeit des Gesprächs mit Syrien weniger Schaden anrichten könnte als es als Feind zurückzulassen. Sogar Israels scheidender Premierminister Ehud Olmert hat das verstanden. Laut Aluf Benn, ein Kolumnist der israelischen „Haaretz“, kämpfte Olmert in einem kürzlich stattgefundenen Treffen darum, Bush zu überreden, dass die Golanhöhen ein wertvoller Preis für eine größere Veränderung in der strategischen Ausrichtung der Region wäre.
Syrien ist letztens der Türkei näher gekommen, die ein scharfes Auge auf die Entwicklungen im Irak, besonders die kurdischen Gebiete im Norden, die an ihrer Grenze liegen und als Basis für die PKK dienen, hat. Der „Economist“: „Syrien, erklärt Mr. Olmert, saß auf dem Kreuzungspunkt zweier Achsen, jener zwischen dem Iran und der Hamas über die Hisbollah, die andere zwischen so „pragmatischen“ Kräften wie der Türkei, Jordanien, Ägypten und Saudi Arabien. Eine Schwenk Syriens würde die ExtremistInnen dramatisch schwächen, soll der israelische Führer daraus geschlossen haben.“
Syriens Wirtschaft ist von zusammenbrechenden Rohstoffreserven und Weltpreisen beschädigt. Es benötigt Fremdinvestition, um mit der Arbeitslosigkeit, die inoffiziell auf mehr als 20 Prozent geschätzt wird, zurechtzukommen. Syrien ist ein säkularer Staat und seine Führung fürchtet den wachsenden Einfluss der islamistischen Gruppen, die sie im Ausland unterstützen. Eine Welle der Unterstützung für die Hamas innerhalb Syriens wäre keine gute Nachricht für das Land, wie auch für die Führungen Ägyptens und Saudi Arabiens. Es erfordert nicht viel Vorstellungskraft zu erkennen, dass ihre Haltung in der Zukunft sich ändern könnte – wenn die Parameter stimmen.
Im Fall des Iran ist es noch deutlicher. Das iranische Regime sieht sich revolutionären Entwicklungen ausgesetzt, die wir in früheren Artikeln analysiert haben. Seine Wirtschaft wird von den fallenden Ölpreisen hart getroffen. Es gab eine Welle von Streiks und StudentInnenprotesten. Das Regime Ahmadinejad befindet sich auf schwachen Beinen und die herrschende Klasse wünscht eine Ablösung. Ein verhandeltes Abkommen mit Washington wäre zu seinem Vorteil.
Wie betrifft das die PalästinenserInnen und Israel? Die Geschichte liefert uns viele Beispiele, in denen die Rechte kleiner Nationen als Spielgeld der großen Mächte benutzt wurden, das sie freudig ohne auch nur einen Vorwand verspielen. Sobald professionelle DiplomatInnen zum Gespräch zusammensitzen, wird alles auf den Tisch gelegt und alles hängt von den Verhandlungen ab – einschließlich des Schicksals der PalästinenserInnen. Sie sind wie immer die Schachbauern der Diplomatie der großen Mächte und können leicht geopfert werden. Die PalästinenserInnen sollten das im Kopf behalten und kein Vertrauen in den guten Willen sogar der glühendsten „Freunde“ anderer Regierungen setzen.
In Bezug auf die palästinensische Frage haben sich Syrien und der Iran bislang als unnachgiebigste Unterstützende der harten Linie gezeigt und die Hamas und Hisbollah mit Geld und Waffen unterstützt. Amerika und Israel sind dagegen. Wie kann dieses Problem gelöst werden. Wir wollen sehen… Israel besitzt die Golanhöhen, die Syrien seit 1967 unter allen Umständen zurück erhalten will. „Warum gebt ihr uns nicht die Golanhöhen?“ wird Syrien sagen. Dazu wird Amerika traurig den Kopf schütteln: „Unsererseits wären wir erfreut, dienen zu könne, aber unsere Freunde, die Israelis, werden dagegen sein, weil es eine Angelegenheit ihrer Sicherheit ist.“ „Ist das alles?“ wird Syrien antworten. „Wir können ihnen bei dieser Angelegenheit der Sicherheit helfen. Vergesst nicht, dass wir einen großen Teil der Rechnungen der Hamas und Hisbollah zahlen.“
Hier beginnt die iranische Delegation ihr Missfallen zu äußern. „Die Rechte unserer palästinensischen Brüder sind nicht verhandelbar“, sagt sie, auf den Tisch hauend. Doch nach ein paar Stunden (oder Wochen oder Monaten) hat der Iran seine gute Laune wieder gefunden, nachdem Amerika ein ganzes Paket an Wirtschaftsangeboten zu Handel und Investition im Iran geschnürt hat. „Das kommt gerade recht“, sagt der Iran, „denn die fallenden Ölpreise verursachen uns eine Menge Kummer. Vielleicht sollten wir bezüglich der palästinensischen Frage ein wenig flexibler sein.“ „Ja“, sagt Amerika mit breitem Lächeln, „und vergesst nicht, wenn wir uns zurückziehen, werden ihr den halben Irak kontrollieren. Alles in allem ist das kein schlechter Deal“
Diese Konversation ist natürlich erfunden. Doch soll niemand glauben, dass solche Dinge in der Geheimwelt der Diplomatie, wo Prinzipien nichts und zynische Kalkulation alles sind, nicht passieren. Natürlich wird kein Wort dieser Geheimverhandlungen öffentlich gemacht, und wenn, erst Jahrzehnte später, wenn irgendwelche hochgestellten DiplomatInnen ihre Memoiren schreiben. In den nächsten paar Monaten wird der gegenteilige Eindruck geschaffen werden: dass die Verhandlungen schwierig sind, dass Teheran und Syrien sehr dickköpfig sind (es ist immer nötig, einen harten Handel zu vollziehen, v.a. im Nahen Osten, wo die Tradition des Feilschens sehr stark ist). Die Gespräche werden wahrscheinlich mehr als einmal abgebrochen, dann wieder aufgenommen. Die Zeit, die es braucht, um zum Abkommen zu kommen, hängt von vielen Faktoren ab. Doch früher oder später wird es eine Vereinbarung geben, weil es im Interesse aller Parteien liegt, dass es sie gibt.
Aber in der Politik des Nahen Ostens ist nichts einfach. Es kann Komplikationen geben. Die Wahlen in Israel im Februar können eine Regierung hervorbringen, die sich allen Konzessionen entgegen stellt. Benjamin Netanyahu war bis vor kurzem der Favorit für die Wahl, wenngleich das davon abhängt, was in Gaza passiert. Seine rechte Likud-Partei ist generell gegen den Rückzug jüdischer SiedlerInnen aus dem Westjordanland. Und der extrem rechte Flügel der Partei stärkte seine Position in den Vorwahlen vom 9. Dezember. Moshe Feiglin, der diesen Flügel anführt, hat eine Website, auf der das Recht der PalästinenserInnen auf Nationseigenschaft abgesprochen wird und Israel dazu gedrängt wird, das Westjordanland zu annektieren.
Das könnte Syrien und den Iran zurück zur Politik der Zurückweisung drängen. Doch auf lange Sicht werden sie verhandeln müssen. Jedenfalls wird die neue israelische Regierung, wer immer sie führt, verhandeln müssen, nicht mit George W. Bush, sondern mit Barak Obama, dessen Fahrplan für den Nahen Osten sich von dem seines Vorgängers ziemlich unterscheidet. Da Amerika Israel unterstützt, hat Obama eine gute Ausgangsposition, um Druck auszuüben.
Revolutionäres Potenzial
Die kleinbürgerlichen PazifistInnen können nur den Schrecken des Krieges sehen, doch sie sind unfähig, die andere Seite des Bildes zu betrachten. Die Geschichte hat oft gezeigt, dass Kriege zur Revolution führen können. Wie immer die Invasion von Gaza endet, eines ist sicher. Früher oder später wird es revolutionäre Entwicklungen in der arabischen Welt geben, die zum Sturz von einem fauligen Regime nach dem anderen führen wird.
Obwohl die Hamas einen Schlag einstecken musste - je länger die israelische Armee in Gaza bleibt, umso eher wird sei Weg des Zurückschlagens finden. Bis gestern hat die Hisbollah nur rhetorische Unterstützung geboten. Doch die letzten Berichte über auf Nordisrael abgefeuerte Raketen zeigen, dass der Konflikt außer Kontrolle geraten könnte.
Wie die BBC berichtet: „Raketen wurden vom Libanon auf Nordisrael abgeschossen und haben die Angst erweckt, dass sich die israelische Offensive in Gaza ausdehnen könnte. Israels Armee antwortete mit einem Artilleriesperrfeuer von mindestens drei Raketen. Keine Gruppe hat sich dazu bekannt.“
Derselbe Bericht erklärt, „die Raketenangriff vom Libanon haben Befürchtungen bezüglich eines größeren Krieges hervorgerufen (…) Es ist nicht klar, ob die Raketen von der Hisbollah oder einer der bewaffneten palästinensischen Gruppen, die im Libanon operieren, abgefeuert worden sind. Wenn der Angriff von der Hisbollah durchgeführt worden ist, besteht die Gefahr einer starken israelischen Reaktion, sagt unser Korrespondent. Die PalästinenserInnen im Libanon haben nicht die Kapazität für einen Krieg mit Israel, die Hisbollah sehr wohl.“
Israel ist klarerweise besorgt, dass die Hisbollah der Versuchung, sich zu beteiligen, nachgibt. Wenn sie das tut, wird das israelische Militär – gegenwärtig – dazu gedrängt sein, äußerst hart zurückzuschlagen. Das wiederum beunruhigt die imperialistischen Mächte massiv, insbesondere die europäischen, die ein solches Szenario fürchten. Ob die Hisbollah in den Konflikt einbezogen wird, werden wir in den kommenden Tagen sehen. Inzwischen wird dieser Krieg auch in Israel ernsthafte Konsequenzen haben, je länger er andauert.
Das Ziel des Kriegs ist die Marginalisierung der Hamas, ihre Schwächung und möglichst Zerstörung. Dieses Ziel wird im Geheimen von den „gemäßigten“ arabischen Regimes gutgeheißen. Und Abbas hätte deswegen keine schlaflosen Nächte, wäre nicht die Tatsache, dass der Angriff auf Gaza im Westjordanland Empörung verursacht hat. Die sogenannten gemäßigten arabischen Regimes waren bisher in ihren Verurteilungen seltsam zurückhaltend. In Wahrheit würde es den Herrschenden Ägyptens, Saudi Arabiens und Jordaniens nicht missfallen, wenn die Hamas vom Angesicht der Erde vertrieben würde, doch diese Herrschenden würde es nicht wagen, so etwas öffentlich zuzugeben.
Diese reaktionären Regimes hängen alle am seidenen Faden. Sie leben in konstanter Angst, dass die Armut und Unzufriedenheit der Massen hervorbrechen und in einen revolutionären Umsturz münden könnte. Die Weltwirtschaftskrise, die zum Zusammenbruch der Ölpreise geführt hat, unterstreicht diese Bedrohung. Die gegenwärtige Situation wird zu einem weiteren Radikalisierungsprozess im Nahen Osten führen. Die ArbeiterInnen und StudentInnen, die auf die Straße gehen, um gegen die Invasion von Gaza zu protestieren, protestieren nicht nur gegen die grausame Behandlung der PalästinenserInnen. Sie protestieren gegen die Inaktivität ihrer eigenen Herrschenden, gegen ihre Komplizenschaft mit Washington und daher mit Israel, gegen ihren luxuriösen Lebensstil, der so brutal vom Elend der Massen absticht.
In einem Editorial vom 17.12. 2008 drückte die „Financial Times“ ihre Betroffenheit über die Stabilität der arabischen Regimes aus: „Geplätscher kann in diesen Regionen schnell zu Flutwellen werden. Die den USA verbundenen Führungen Ägyptens, Saudi Arabiens und Jordaniens, ursprünglich glücklich zu sehen, dass Israel der Hisbollah oder Hamas entgegentritt, ändern schnell ihre Meinung, sobald ihre Völker sich den Militanten anschließen. Ihre Legitimität und ihr Überleben steht auf dem Spiel.“ (Hervorhebung durch A. Woods)
In Ägypten, wo es ernsthafte Unruhen auch schon vor dem Krieg gegeben hat, hat die Polizei Dutzende UnterstützerInnen, die Konvoys mit Lebensmitteln und Medikamenten nach Gaza schicken wollten, verhaftet; Internetbetreiber riefen zu einem Generalstreik zur Unterstützung des Gazastreifens auf. Es gab Massendemonstrationen im Libanon und die US-Botschaft in Beirut wurde angegriffen. Es gab eine Massendemonstration in Istanbul und andere große Demonstrationen in Jordanien und im Westjordanland und überall im Nahen Osten, in Indonesien, in Kabul, der afghanischen Hauptstadt, Srinagar im indisch verwalteten Kaschmir.
In der nordisraelischen Stadt Sachnin protestierten zehntausende israelische PalästinenserInnen gegen Israels Offensive. Gegenwärtig bleibt die Mehrheit jüdischer Israelis passiv oder unterstützt den Angriff, getäuscht durch die Propaganda, die ihn als Verteidigungskrieg darstellt. Doch das kann sich ändern, wenn der Krieg weitergeht und die Opferzahlen steigen. Es gibt bereits Anzeichen von Differenzen in der israelischen herrschenden Klasse. Ein früherer Anführer des Mossad sagt, dass die Hamas in zukünftige Verhandlungen einbezogen werden muss. Das zeigt bereits wachsende Zweifel sogar in der herrschenden Schicht. Wenn die Raketen weiter einschlagen, wenngleich in reduzierter Anzahl, werden in Israel und anderswo Fragen laut, was wirklich erreicht worden ist, v.a wenn der Blutzoll sowohl in den israelischen Truppen wie unter den palästinensischen ZivilistInnen noch dramatischer wird.
Die Herrschenden des Nahen Ostens fürchten zu Recht das revolutionäre Potenzial der Massen, das schon in der Situation vor den aktuellen Ereignissen durchgeschimmert ist. Nun erreicht es bald den Siedepunkt. Arabische Regierungen, wenngleich zornig auf die Hamas, kommen unter Druck, den Ärger auf der Straße in Handlungen umzusetzen und könnten einen Sturz erleben, wenn sie das nicht tun. Deswegen wollen Menschen wie Gordon Brown so schnell wie möglich Frieden, denn Krieg bedeutet Instabilität und Instabilität kann Auswirkungen haben, die nicht zum Vorteil Londons oder Washingtons gereichen werden.
Ein Verrat wird vorbereitet
Es ist unmöglich, die Ereignisse in Gaza außerhalb dieses Kontextes zu verstehen. Das Ziel der Israelis ist es, die Hamas zu pulverisieren, um sie gegen die Fatah zu schwächen, deren Dienste sie in der nächsten Periode brauchen werden. Auf der anderen Seite versucht die Hamas verzweifelt, die Sympathie der arabischen Massen zu gewinnen, um nicht völlig marginalisiert zu werden. Und beide Seiten senden eine Botschaft an jene, die hinter ihren Rücken einen Handel vorbereiten.
Unter Abbas wollen die Führenden zu einer Übereinkunft mit Israel gelangen. Es gibt immer noch Gespräche über die Errichtung eines unabhängigen PalästinenserInnenstaats auf dem aktuell von Israel besetzten Land. Doch wie kann das erreicht werden? In dem Moment, in dem wir von Verallgemeinerungen und heuchlerischen Erklärungen zu den harten Tatsachen gelangen, zeigt sich das Problem. Ich schrieb zu dieser Frage im Dezember 2007, als Bush die Farce von der Konferenz von Annapolis organisierte:
„Die Losung der israelischen Regierung ist: was wir haben, behalten wir. Die ZionistInnen haben keine Absicht, irgendwelche wesentlichen Zugeständnisse zu machen. Die Hamas brüstete sich damit, dass sie die israelische Armee aus Gaza vertrieben hätte. Das ist ein Scherz. Die Israelis zogen sich aus taktischen Gründen aus Gaza zurück, um die internationale Kritik zum Schweigen zu bringen und den Eindruck zu vermitteln, dass sie etwas Wichtiges aufgeben würden, wo sie in Wahrheit kein Interesse an Gaza haben. Das sollte dazu dienen, ihren Zugriff auf das Westjordanland, das der entscheidende Punkt ist, zu festigen.
Die Israelis haben erbarmungslos an der monströsen Mauer, die das palästinensische Gebiet im Westjordanland entzweischneidet, weitergebaut und so große Stücke Land unter dem Vorwand der „Verteidigung“ geraubt. Die SiedlerInnen wurden zunehmend kühn und unverschämt. Nach den Vorfällen in Gaza wird keine israelische Regierung die SiedlerInnen im Westjordanland konfrontieren.
Dann gibt es da die kleine Sache mit Jerusalem, das sowohl JüdInnen wie auch AraberInnen als ihre natürliche gottgegebene Hauptstadt beanspruchen. Wie beim Recht auf Wiederkehr der PalästinenserInnen, die 1948 aus ihrer Heimat vertrieben wurden, stellt sich hier für Israel die Frage, ihre Rückkehr zu akzeptieren, gar nicht, denn das würde die demografische Balance des Judenstaats völlig auf den Kopf stellen.“
Wie können diese Probleme gelöst werden? Zu dieser Frage hat die Diplomatie nie eine befriedigende Antwort geliefert. Die Verteidigung der Israelis hat sich gerade in der eloquenten Sprache der Bomben, Raketen und Artillerie ausgedrückt. Was werden die PalästinenserInnen sagen? Sie werden nichts sagen, denn sie werden zu diesen Verhandlungen nicht eingeladen. Das Volk, das gekämpft und sein Blut im Kampf um seine Rechte gegeben hat, wird sehen, dass sein Schicksal von fremden Regierungen, die nur um ihre eigenen kleinen nationalen Interessen besorgt sind, bestimmt wird.
Wenn all diese grundlegenden Fragen entschieden sind, wird es eine Nahostkonferenz geben, unter Teilnahme aller wohlbekannten „Freunde Palästinas“ – Ägypten, Jordanien, Saudi Arabien und andere. Abbas wird eingeladen werden, nicht um etwas zu entscheiden, sondern wie jemand, den man zum letzten Verhandlungstag lädt, um das Urteil zu vernehmen. Für die Hamas hängt eine Einladung von ihrem guten Verhalten ab. Jedenfalls wird das nicht den leisesten Unterschied für das Ergebnis machen.
Eine Sackgasse
Es ist grundlegende Pflicht aller proletarischen InternationalistInnen, die PalästinenserInnen gegen die Gewalt des israelischen Imperialismus zu verteidigen. Doch es ist auch unsere Pflicht zu sagen, was ist: die Taktiken der Selbstmordanschläge und des Abfeuerns von Raketen auf israelische Städte sind kontraproduktiv und nutzlos. Sie repräsentieren nicht den bewaffneten Massenkampf, denn sie fügen der Rüstung des israelischen Staats nicht einmal eine Beule zu, sondern stärken sie, indem sie die israelischen Massen hinter sie ihr versammeln.
Ein großer Teil des Reizes der Hamas kommt aus ihrem Bild des Widerstands gegen die Besatzung. Die Hamas hat 2006 die Wahlen gewonnen, weil die Massen der Korruption der PLO-Führung und ihrer stillschweigenden Duldung Israels müde waren. Doch wenn wir die Frage nur auf nationalistische Parameter reduzieren (JüdInnen gegen AraberInnen), ist keine Lösung der palästinensischen Frage möglich. Es ist nicht möglich, das Problem des palästinensischen Volks durch Taktiken wie Selbstmordanschläge und Raketenabschüsse auf israelische Städte und Dörfer zu lösen. Diese von der Hamas bevorzugten Methoden wurden von der PLO vor 40 Jahren versucht und führten nur zu einer blutigen Niederlage nach der anderen. Kein noch so hoher Sympathiebeitrag für die Leiden der PalästinenserInnen kann daran etwas ändern.
Was wird das Endergebnis dieses Kriegs sein? In militärischer Hinsicht wird die Hamas massiv verloren haben. Viele ihrer Kader werden getötet oder gefangen worden sein. Ihre militärische Infrastruktur wird zertrümmert sein. Hinsichtlich äußerer Vermögenswerte wird Gaza völlig ruiniert zurückbleiben. Der wirtschaftliche Schaden wird erst in vielen Jahren behoben sein. In diesem Sinn werden die Israelis haben, was sie wollten. Ernstzunehmender werden für Israel die langfristigen politischen Auswirkungen sein. Obwohl sie einen schweren Schlag erhalten haben wird, wird die Hamas nicht zerstört sein.
Und was wird Israel gewonnen haben? Der „Sieg“ der Israelis in Gaza wird in ihren Mündern zu Staub zerfallen. Erinnern wir uns, dass es nur um Erlangung von Sicherheit ging. Am Ende werden sie einen noch größeren Hass in der arabischen Welt als zuvor ernten. Die Bedrohung durch terroristische Aktionen wird nicht geringer, sondern weitaus größer sein als zuvor. Für jeden von ihnen getöteten Hamas-Kämpfer wird es zehn, zwanzig oder hundert Heranwachsende geben, die jetzt noch Kinder sind, die mit Bitterkeit und Has erfüllt bereit sein werden, sich für Selbstmordmissionen gegen Israel und seine Verbündeten in der arabischen und westlichen Welt zu melden. Wenn das die Vorstellung von künftiger Friedensschaffung in Israel ist, ist es eine sehr seltsame!
Was wird die Hamas erreicht haben, wenn sich der Staub auf den Ruinen von Gaza gelegt haben wird? Sie mag ein paar magere Zugeständnisse erlangt haben – vielleicht eine Lockerung der israelischen Belagerung, eine Öffnung der ägyptischen Grenze, viel Hilfe von anderen MuslimInnen und vielleicht ein Minimum an internationaler Anerkennung. Ihr Ansehen unter den AraberInnen mag gestiegen sein. Doch die Frage bleibt: was ist durch all das gelöst worden? Wir kehren wieder einmal zum unendlichen Zyklus von Gewalt, Kriegen und Tötungen, die nichts lösen, zurück. Der Zorn in Gaza über die Gewalt Israels mag für den Moment die Popularität der Hamas steigern, doch wenn die Aufregung nachlässt, werden die Menschen von Gaza zu fragen beginnen, was sie in dieses Chaos gestürzt hat.
Die Aktionen der israelischen Armee bringen den gesamten Nahen Osten in Aufruhr. Sie werden eine neue Ernte des Hasses, der Bitterkeit und einen Durst nach Rache einfahren. Doch die Taktik von Gruppen wie der Hamas wird nie Erfolg haben. Tatsächlich ist sie völlig kontraproduktiv. Die Führung der Hamas sagt: „Als die schwächere Partei haben wir das Recht, jede verfügbare Methode zur Niederschlagung unserer Unterdrückenden anzuwenden.“ Dazu sagen wir: „Ja, ihr habt dieses Recht und wir verstehen, dass die Methoden des Terrorismus und des Guerillakriegs immer von der schwächeren Seite gegen einen stärkeren Unterdrückenden gewählt werden.
Für Berufssoldaten sind solche Guerillamethoden immer zu verurteilen. In längst vergangenen Zeiten verwendete der Hirte David seine Schleuder, um den Riesen Goliath zu töten und zweifellos betrachteten das die Philistergeneräle als unfaire und barbarische Methode, die nicht den Regeln der Kriegsführung entsprach. Doch durch den Gebrauch dieser einfachen, aber wirkungsvollen Methode gewann David und verlor Goliath seinen Kopf. Das stimmt alles, doch wir wollen folgendes sagen: ein guter General wird nur von solchen Methoden Gebrauch machen, die mit seinen strategischen Zielen übereinstimmen und wahrscheinlich erfolgreich sind. Nur ein schlechter General verwendet Methoden, die nicht zum Sieg führen, sondern die Niederlage garantieren. Und die Methoden, die die Hamas anwendet, können nur in die Niederlage führen und dem Feind helfen. Deswegen sind wir gegen diese Methoden.
Wenn die Methoden der Hamas darin fehlen, den PalästinenserInnen Nutzen zu bringen, so haben die Methoden der israelischen ImperialistInnen darin gefehlt, dem Volk von Israel zu helfen. Jeder Versuch Israels, Sicherheit mit Gewalt zu gewährleisten, hat sich als kontraproduktiv herausgestellt. Die Besetzung des palästinensischen Gebiets nach dem Sechstagekrieg 1967 hat den Konflikt mit den PalästinenserInnen intensiviert. Die Invasion des Libanon 1982 führte zu ihrer Nemesis, der Hisbollah. Der Krieg gegen die Hisbollah 2006 schwächte die prowestliche Regierung in Beirut. Das gegenwärtige Bombardement Gazas diskreditiert Mahmoud Abbas, den gemäßigten palästinensischen Präsidenten. Sicherheit ist eine Illusion, die sich fortwährend dem Zugriff Israels entzieht und die Zukunft des Staates Israel trägt immer ein Fragezeichen.
Gleichermaßen hat jeder Versuch, Israel mit militärischen Mitteln zu schlagen, in der Erstarkung des reaktionären Zionismus geendet. Aus dem Versagen des sogenannten bewaffneten Kampfes haben Abbas und die Führenden der Fatah den Schluss gezogen, dass die einzige Alternative in Verhandlung mit Israel besteht und sie suchen daher die Unterstützung der ImperialistInnen. Doch wir haben bereits in den letzten zehn Jahren gesehen, was das bedeutet. Es bedeutet, die Kapitulation und den Ausverkauf der Sache der palästinensischen nationalen Selbstbestimmung zu verhandeln. Weder die Hamas noch Abbas bieten daher einen Ausweg.
Was wird das Ergebnis der Verhandlungen zu einem „Palästinensischen Staat“ sein – die „Zwei-Staaten-Lösung“? Diese Lösung hängt nur von einem ab: der Zustimmung Israels (das immerhin einer der beiden Staaten sein wird, und nicht der schwächere). Wozu wird Israel zustimmen? Sie mögen einige Berichtigungen der aktuellen Grenze zum Westjordanland akzeptieren. Sie mögen auch die Öffnung der Grenze zu Gaza (die sie jederzeit schließen können) erlauben. Sie mögen ein paar Beschränkungen bezüglich der Errichtung neuer jüdischer Siedlungen auf palästinensischem Land erlassen und sogar ein paar der bereits bestehenden demontieren. Sie können Jerusalem, das sie als ihre Hauptstadt betrachten, nicht aushändigen, wenngleich es eine Art Teilungsabkommen geben könnte. Sie werden auch nicht das Recht auf Rückkehr auf israelischen Boden zugestehen, wenngleich sie gewissen Zugang auf palästinensisches Gebiet erlauben könnten.
Das ist das Beste, worauf die PalästinenserInnen auf der jetzigen Grundlage hoffen können: ein zusammengestutzter Pseudo-Staat, der wirtschaftlich von Israel abhängig wäre, dessen Präsenz wie ein dunkler und bedrohlicher Schatten immer über ihm schweben würde. Die Kontrolle dieses „Staats“ würde nur solchen palästinensischen Führungspersonen wie Abbas anvertraut werden, der bereit ist, als Marionette Israels zu agieren und der jede abtrünnige palästinensische Gruppe gnadenlos unterdrücken würde.
Mit anderen Worten wäre es eine Lösung ähnlich jener, die Irland vom britischen Imperialismus 1922 auferlegt worden ist. Das führte zu einem blutigen Bürgerkrieg in Irland, in dem viel mehr IrInnen als jemals zuvor von Britannien getötet wurden. Dasselbe kann den PalästinenserInnen in Zukunft passieren, wie wir im Bürgerkrieg in Gaza 2007 gesehen haben. Einige PalästinenserInnen mögen akzeptieren, andere werden zweifellos zurückweisen, neue Konflikte und Blutvergießen werden daraus folgen.
Folgt dem revolutionären Weg!
Napoleon sagte, dass geschlagene Armeen schnell lernen. All die Niederlagen und Opfer und Martyrien werden für nichts gut sein, wenn wir nicht aus ihnen lernen und sie nicht zu unserem Vorteil nutzen. Wenn wir nur sentimental und moralisch auf das aktuelle Blutvergießen schauen, wie es so oft der Fall ist, werden wir daraus gar nichts gewinnen. Unsere Aufgabe ist mit den Worten des Philosophen Spinoza: Weder lachen noch weinen, vielmehr verstehen.
Letztlich müssen sowohl JüdInnen als auch AraberInnen das Recht haben, in Frieden zu leben und ihr Schicksal in ihrer eigenen Heimat selbst zu kontrollieren. Es ist leicht, dieses Ziel zu setzen, doch gar nicht so leicht, es zu erreichen. Der sogenannte Friedensprozess ist tot. Es gibt keinen Zweifel, dass er wieder erweckt werden wird, jedoch nicht bevor die israelische Armee ihre blutige Arbeit in Gaza gründlich erledigt hat.
Wir können vorhersagen, dass es nach dem Krieg ein Abkommen nach dem anderen geben wird und dass eines nach dem anderen gebrochen werden wird. Nichts davon wird etwas dazu beitragen, die Probleme der PalästinenserInnen zu lösen. Es wird auch nicht die Sicherheit der Menschen in Israel gewährleisten. Doch es gibt eine Lösung für das palästinensische Problem, die weder in zum Scheitern verurteilten Terrorismusakten noch in diplomatischen Ausverkäufen besteht.
Die Vorfälle in Gaza waren der Funken, der auf die ausgedörrte Prärie fiel. Er rief eine Welle von Massenprotesten hervor, die alle bestehenden Regimes im Nahen Osten erschütterte. Das revolutionäre Potenzial dieser Bewegungen wurde von den StrategInnen des Kapitals sofort erkannt. Der „Economist“ schrieb: „Doch wenn die aktuellen wütenden Straßenproteste nicht eine regionale Revolution entzünden, die Israel und seinen Freunden Todesangst einjagt, wird die Hamas weiterhin dieselbe schmerzliche Wahl haben, wie man sich mit einem unsagbar mächtigeren und gleichermaßen entschlossenen Feind arrangieren kann.“
Diese Worte drücken das Wesen des Problems hervorragend aus. Was bedeuten sie? Die intelligente Bourgeoisie versteht, dass die palästinensische Frage als Katalysator für all die angesammelte Frustration, Wut und Unzufriedenheit der Massen im Nahen Osten dienen kann. Deswegen plädieren sie fortwährend für Frieden, Waffenstillstand, Abkommen und Mäßigung. Sie können erkennen, was MarxistInnen erkennen können: dass eine regionale Revolution der gesamte Situation inhärent ist. Das ist der Ausgangspunkt für den Erfolg der palästinensischen Revolution und nichts anderes.
Die Frage stellt sich durch die obigen Zeilen sehr klar. Die PalästinenserInnen sehen sich einem unsagbar mächtigeren und gleichermaßen entschlossenen Feind gegenüber. Die Ereignisse in Gaza haben die Unmöglichkeit der Besiegung dieses Monsters mit bloßen militärischen Mitteln deutlich gezeigt. Gibt es eine Kraft, die noch stärker und entschlossener ist als die Macht des Staates Israel? Ja, es gibt eine solche Kraft. Es ist die Kraft der Massen, sobald sie organisiert und für den Kampf mobilisiert sind. Zwei Intifadas haben gezeigt, dass die palästinensischen Massen bereit sind, heroisch zu kämpfen. Doch im Krieg ist Mut nicht genug, um zu gewinnen. Eine klare Strategie und Taktik und vor allem gute Generäle sind notwendig. In revolutionären Begriffen heißt das, dass, um zu gewinnen, die Massen ein revolutionäres Programm, korrekte Methoden und Taktiken und eine gute Führung brauchen. Das ist es, was nötig ist und das ist es, was fehlt.
Die gegenwärtigen Führenden der PalästinenserInnen bieten keine Alternative. Einige der Führenden der Fatah wären in Wahrheit nicht unglücklich, die Hamas ausgelöscht zu sehen. Sie haben de facto die Hamas für die israelische Invasion beschuldigt! Das verursachte eine Welle des Widerwillens unter einfachen UnterstützerInnen der Fatah und den Massen der PalästinenserInnen im Westjordanland, die sich fragten, warum ihre Spitzenführung eine solche Position einnahm, wenn ihre LandsgenossInnen abgeschlachtet werden. Arafat hätte sich, bei all seine Fehlern, nicht so verhalten. Viele PalästinenserInnen ziehen ihre Schlüsse: „Abbas ist eine Marionette Israels.“
Die Hamas hofft, die PalästinenserInnen im Westjordanland dazu zu bewegen, die Fatah zu stürzen. Sie hatten bisher darin noch keinen Erfolg. Wie diskreditiert Abbas sein mag, die PalästinenserInnen sehen die Hamas nicht als Alternative, auch wenn einige verzweifelte junge Menschen sich ihr anschließen. Das wäre eine Tragödie. Was es braucht, ist nicht eine neue Generation von SelbstmordattentäterInnen, die Rache und Martyrium suchen, sondern die Errichtung einer wahrhaft massenrevolutionären Alternative.
Die erste Bedingung für den zukünftigen Erfolg der palästinensischen Revolution liegt im revolutionären Sturz des reaktionären bürgerlichen Regimes in Ägypten, Jordanien und Saudi Arabien, und dann in einer Abrechnung mit dem reaktionären zionistischen Staat selbst. Die gesamte arabische Welt ist jetzt in einem Zustand der Unruhe. Das einzige, was in dieser Situation fehlt, ist eine wahrhaft revolutionäre Führung, die auf den Grundideen des Marxismus-Leninismus fußt. Das ist es, was erforderlich ist, um einen Weg aus diesem blutigen Morast zu finden.
In der Vergangenheit gab es mächtige kommunistische Parteien in der arabischen Welt, die für den Marxismus-Leninismus zu stehen behaupteten, wenngleich die stalinistische Stufenpolitik der Führung zu einer Niederlage nach der anderen führte. Seit dem Fall der UdSSR existieren die alten kommunistischen Parteien nicht mehr. Doch es gibt viele revolutionäre Kader, die mit der bestehenden politischen Führung unzufrieden sind und sich nach einer Alternativ umsehen. An diese Schichten, besonders die Jugend, wenden wir uns.
Das ist die einzige Hoffnung für die Zukunft.
Jene die meinen, dass das Volk von Israel eine einzige reaktionäre Masse ist, verstehen gar nichts. Wenn das der Fall wäre, wäre die Zukunft der PalästinenserInnen tatsächlich hoffnungslos. Aber es stimmt nicht. Bei mehr als einer Gelegenheit demonstrierten die Massen in Israel gegen die Brutalität ihrer eigenen ImperialistInnen und solidarisch mit den PalästinenserInnen. Sogar in diesem Konflikt gab es die ersten Anzeichen von Protest in der kürzlichen Anti-Kriegsdemonstration in Tel Aviv. Bei mehr als einer Gelegenheit haben israelische ArbeiterInnen Streiks und Generalstreiks organisiert. Der Klassenkampf existiert in Israel genauso wie in anderen Ländern. Was notwendig ist, ist, ihn zu intensivieren und den reaktionären ZionistInnen den Boden unter den Füßen wegzuziehen.
Der Sieg der sozialistischen Revolution in einem Land wie Ägypten würde auf ein starkes Echo in Israel treffen, besonders wenn er auf dem Programm des leninistischen Internationalismus stünde.
Die palästinensische Frage ist Teil des Gesamtproblems, dem sich die Massen quer durch den Nahen Osten gegenüber sehen. Die einzige reale Perspektive zur Lösung des Problems ist die Schaffung einer sozialistischen Föderation der Völker der Region, mit vollständiger Autonomie für die AraberInnen, JüdInnen, KurdInnen und die anderen Völker, die dieses Land bewohnen. Der Kampf um ein freies und wirklich demokratisches Palästina wird als Teil der internationalistischen sozialistischen Revolution gewonnen werden oder er wird nie gewonnen werden.
London, 8. Jänner 2009
Übersetzung: Gerlinde K.
Source: Der Funke, Austria