Es ist viel Lärm um die so genannte "Wiedereinsetzung Zelayas" gemacht worden, aber was passiert wirklich? Es hat intensive Verhandlungen gegeben, aber es wurden bisher keinerlei Schritte unternommen, um den rechtmäßigen Präsidenten Zelaya wieder in das Amt einzusetzen. In den nächsten Tagen werden wir sehen, ob das Abkommen tatsächlich umgesetzt wird.
Am Montag, den 26. Oktober, waren die Verhandlungen zwischen den Vertretern Zelayas und denen des Micheletti-Regimes abgebrochen worden. Man stimmte mit den meisten Forderungen der Zelaya-Delegation überein, außer mit der Wiedereinsetzung in das Präsidentenamt. Putschisten-Führer Micheletti rühmte sich damit, nur zurückzutreten, wenn Zelaya sich bereit erklärte auf sein Amt zu verzichten.
Die Ankunft einer hochrangigen Delegation aus den USA unter Führung von Unterstaatssekretär Tom Shannon veränderte alles. Micheletti, der bereits einen Anruf von Hilary Clinton erhalten hatte, wurde eindeutig mitgeteilt, dass die USA die von den Putschisten einberufenen Wahlen vom 29. November nicht anerkennen würden, falls nicht ein Abkommen auf der Grundlage des San-José-Abkommen zustande käme, einschließlich der Wiedereinsetzung Zelayas.
Wir haben bereits mehrfach erwähnt, dass die Bedingungen des San-José-Abkommens die Putschisten bereits durch die Errichtung einer Regierung der nationalen Einheit und der Amnestie für die Putschisten eindeutig bevorzugen würden und Zelaya seine Vorstellung von einer Verfassungsgebenden Versammlung aufgeben müsste, die Wiedereinsetzung des rechtmäßigen Präsidenten nur für einige Monate sein würde und er die Macht am 28. Januar 2010 einer neu gewählten Regierung übergeben müsste.
Warum sperrte sich Micheletti solange gegen die Unterzeichnung dieser Bedingungen? Er befürchtete zu Recht, dass wenn Zelaya wieder an der Macht wäre, auch machtlos und zeitlich begrenzt, dies als Sieg der Widerstandsbewegung des honduranischen Volkes angesehen würde. Das wäre sehr gefährlich und könnte zu einem Wahlsieg eines vom Widerstand unterstützten Kandidaten führen. Wenn die Wahlen frei und fair ablaufen würden, stände die Widerstandsbewegung einmütig hinter dem Gewerkschaftsführer Carlos H. Reyes und könnte die Wahlen gewinnen. Meinungsumfragen weisen darauf hin, dass es eine starke Unterstützung für den Kandidaten der Demokratischen Vereinigungspartei bei der Wahl des Bürgermeisters der Hauptstadt Tegucigalpa gibt.
Die Oligarchie war in dieser Frage eindeutig gespalten. Während eine Gruppe die Verhandlungen als Verzögerungstaktik betrachtete, welche die "internationale Gemeinschaft" letztlich zwingen sollte, die Ergebnisse ihrer Wahlen vom 29. November anzuerkennen, fürchtete die andere Gruppe, dass ein massiver Wahlboykott, diese für unrechtmäßig erklären könnte. Washington drohte daraufhin, den Druck auf die Oligarchie - einschließlich deren Bankkonten - zu erhöhen.
Es scheint, als ob es zu einem Geheimabkommen zwischen Shannon und dem Kandidaten der Nationalen Partei Pepe Lobo gekommen ist, obwohl beide heftig bestreiten, sich jemals getroffen zu haben. Es wurde abgemacht, Zelayas Wiedereinsetzung an den Nationalkongress zu verweisen, wo die Stimmen der Anhänger Zelayas Liberalen Partei - die mittlerweile gespalten ist in Zelayistas und Putschanhängern - zusammen mit den Stimmen der Mitglieder der Nationalen Partei eine Mehrheit hätten. Dafür würden Zelaya und die "internationale Gemeinschaft" die Wahlen vom 29. November anerkennen, die Lobo zu gewinnen hofft, falls nötig, durch Wahlbetrug.
Zelaya begrüßte das Abkommen als Sieg. "Es ist ein Triumph für die honduranische Demokratie" , sagte er, "es bedeutet meine Rückkehr ins Amt in den nächsten Tagen und Frieden für Honduras."
Eine Verlautbarung der Nationalen Widerstandsfront begrüßte das Abkommen ebenfalls als Sieg des Volkes. Ohne den heldenhaften Widerstand der ArbeiterInnen, der Bauern sowie der Jugend Honduras seit über mehr als vier Monate wäre der Putsch zweifelsohne erfolgreich verlaufen und das Putschisten-Regime wäre früher oder später von der internationalen Gemeinschaft als rechtmäßig anerkannt worden. Wir müssen uns aber fragen, was sind die im Abkommen vereinbarten Bedingungen und können diese überhaupt in die Praxis umgesetzt werden?
Das 'Tegucigalpa/San-José-Abkommen“, wie es bezeichnet wird, erwägt die Bildung einer Regierung der "Einheit und der nationalen Versöhnung". In der Praxis sähe das so aus, dass sich die Putschisten und die Zelaya-Anhänger die Macht teilen müssten, was eindeutig zu einer Lähmung führen wird. Der Haushalt, auf dessen Grundlage die Regierung handelt würde, müsste von dem Kongress in seiner Zusammensetzung nach dem Putsch bewilligt werden.
Der zweite Punkt des Abkommens schließt jeglichen "direkten oder indirekten" Aufruf zur Einberufung der Verfassungsgebenden Versammlung und jeden Versuch zur Förderung und Unterstützung einer Volksbefragung mit dem Ziel der Verfassungsänderung aus. Der unmittelbare Grund für den Putsch durch die Oligarchie war es, eine Volksabstimmung zur Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung zu verhindern. Mit diesem im Abkommen aufgeführten Punkt werden die Gründe für den Staatsstreich gerechtfertigt.
In Punkt drei werden die von den Putschisten einberufenen Wahlen am 29. November anerkannt und das Volk wird aufgerufen, daran teilzunehmen.
Im vierten Punkt wird festgestellt, dass Polizei und Armee zur Organisation und Überwachung der Wahlen für den Zeitraum von einem Monat vor der Wahl unter die Kontrolle des obersten Wahlgerichts gestellt werden. Da die Wahlen am 29. November abgehalten werden, bedeutet das, dass Polizei und Armee sich außerhalb der Kontrolle des Präsidenten befinden.
Der fünfte Punkt behandelt die Wiedereinsetzung des Präsidenten. Hier wird tatsächlich ausgesagt, dass die Verhandlungskommission den Nationalkongress "respektvoll" bittet, nach Beratungen mit dem Obersten Gerichtshof und anderen für nötig gehaltenen Instanzen, die Exekutive in den Zustand von vor dem 28. Juni bis zum Ende der Amtszeit am 27. Januar zu versetzen. Die Entscheidung, Zelaya ins Präsidentenamt zu berufen, wird dem demselben Kongress überlassen, der ihn aus dem Amt entfernt hat, nachdem der oberste Gerichthof die "Rechtmäßigkeit" seiner Entfernung bestätigt hatte.
Wir haben es mit einer Situation zu tun, in der Zelaya alle möglichen Zugeständnisse macht, ohne dass seine Wiedereinsetzung überhaupt klargestellt ist. In dem Abkommen sind noch weitere Punkte, u. a. der Aufruf an die internationale Gemeinschaft, die Wahlen anzuerkennen und alle Sanktionen aufzuheben. Es endet mit einer Danksagung, in der besonders die Rolle der Organisation Amerikanischer Staaten, von US-Präsident Obama und Außenministerin Clinton betont werden.
Aber dieses Abkommen, so schlecht es auch ist, ist nicht das Ende der Fahnenstange. Der Kongress ist eigentlich des Amtes enthoben und müsste zu einer Sondersitzung einberufen werden, um über die Wiedereinsetzung Zelayas, der sich immer noch in der brasilianischen Botschaft verstecken muss, abzustimmen. Beim Treffen am 3. November haben sich die Kongress-Vorsitzenden für die Annahme des Abkommens entschieden. Sie werden den Obersten Gerichtshof, den Generalstaatsanwalt und weitere Körperschaften um deren Meinung zur Wiedereinsetzung Zelayas bitten, bevor sie eine endgültige Entscheidung treffen. Micheletti hat zwischenzeitlich die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit auf seine ganz spezielle Art interpretiert. In einem Brief an Zelaya hat er diesen gebeten, ihm eine Liste mit zehn Namen zukommen zu lassen, aus der die Mitglieder der neuen Regierung ausgewählt werden sollen, was bedeutet, dass er diese selbst aussucht. Tom Shannon hat erklärt, dass die Entscheidung des Kongress respektiert werden muss, unabhängig davon, wie diese aussieht. Er fügte hinzu, dass die USA die Wahlen vom 29. November anerkennen werden, selbst wenn der Kongress Zelaya nicht wiedereinsetzt.
Aus der Sicht Zelayas und der Widerstandsbewegung hat sich deshalb nicht viel geändert. Der rechtmäßige Präsident befindet sich immer noch in der Obhut der brasilianischen Botschaft, die von Bereitschaftspolizei und Armee umzingelt ist. Polizei und Armee prügeln weiter auf friedliche DemonstrantInnen ein und die Putschisten sind immer noch an der Macht.
Washington feiert das Abkommen als Sieg seiner diplomatischen Strategie, die Oligarchie ist ihrem Ziel näher gekommen, dass die Wahlen am 29. November international anerkannt werden und der Putschisten-Führer Micheletti ist noch Präsident.
Es ist schwer vorherzusagen, was in den nächsten Tagen passieren wird. Ein zusätzlicher Druck aus Washington könnte zur kurzzeitigen Wiedereinsetzung eines machtlosen Zelaya führen, die Oligarchie könnte aber auch zusätzliche Tricks anwenden, um das weiter hinauszuzögern.
Es gibt nur einen wirklichen Ausweg aus dieser Sackgasse. Die Massen müssten wieder aktiv werden und das Geschehen in ihre eigenen Hände nehmen. Sie können nur auf ihrer eigenen Kraft vertrauen, nicht auf die anderer.
Quelle: Der Funke