Wenn jemand vor einigen Jahren behauptet hätte, Irland würde eine tiefe Rezession bevorstehen, die Glasfabrik Waterford Crystal würde von den ArbeiterInnen besetzt und die irische Labour Party würde bei den Meinungsumfragen vor der regierenden Fianna Fáil liegen und wir würden uns am Vorabend eines eintägigen Generalstreiks befinden, hätte man uns gesagt, geht nach Hause und füllt etwas Wasser in Eure Gläser, um den Whisky hinunterzukippen. Das ganze Land boomte, überall wurden neue Häuser und Autobahnen gebaut und Tausende Menschen kamen nach Irland zurück, um am wirtschaftlichen Aufschwung teilzuhaben.
All dies scheint jetzt lange her zu sein. Die Arbeitslosenzahlen gehen in Richtung 400.000 und das trotz aller Rettungsaktionen und sogar formaler Verstaatlichungen von Banken gerät die Wirtschaft außer Kontrolle. Die Steuereinnahmen fielen bis Januar um 24%. Man erwartet, dass die Wirtschaft dieses Jahr um 5% schrumpft und Ministerpräsident Cowen und Finanzminister Lenihan bereiten einen Haushalt vor, welcher die öffentlichen Dienstleistungen drastisch einschränken wird. Das und die Besteuerung der Renten sind ein deutliches Zeichen dafür, dass die Fianna Fáil die absolute Priorität darauf legt, die Folgen der Krise auf dem Rücken der ArbeiterInnen und ihrer Familien abzuwälzen.
Während des Aufschwungs kam es zu einer enormen Steigerung der Investitionen in Irland; die irische Wirtschaft hat sowohl enge Beziehungen zur britischen als auch zur US-Wirtschaft. Das hat aber auch eine Kehrseite. Irland ist an die Eurozone gebunden, was bedeutet, dass Währungsschwankungen zwischen dem britischen Pfund und dem Euro deutliche Auswirkungen auf die Industrie haben. Der Währungsverlust des Pfunds hat zur Folge, dass irische Exporte teurer und damit weniger konkurrenzfähig werden. Die Verteuerung des Dieselpreises in der Vergangenheit führte zu Kostensteigerungen beim Export von Lebensmitteln. Irland befindet sich relativ weit vom Rest der Eurozone entfernt und die Bourgeoisie redet bereits von den hohen Kosten für die irische Wirtschaft. Irlands Kreditwürdigkeit befindet sich, selbst im Vergleich zur allgemeinen Krise, seit längerer Zeit in einem freien Fall.
Das alles ergibt eine enorme Rechnung, welche die irische Bourgeoisie unter keinen Umständen bereit ist zu zahlen. Das verbirgt sich hinter der Entscheidung der Regierung und der Bosse, um aus einem nationalen Abkommen über die Löhne auszusteigen. Da aber gibt es ein Problem, die irische Arbeiterklasse hat in den letzten Monaten an massiver Stärke gewonnen. Die Arbeitslosigkeit war relativ niedrig und die Menschen haben jetzt mehr zu verteidigen als je zuvor. Das ist in der momentanen Situation ein Schlüsselfaktor. Die Arbeiterklasse ist unbesiegt und die Gewerkschaften sind intakt. Wie wir vor kurzem erklärt haben, stehen die Führer des irischen Gewerkschaftsbundes ICTU und der angegliederten Einzelgewerkschaften unter einem großen Druck. 200.000 Menschen marschierten am 21. Februar durch Dublin und bei den Abstimmungen für einen eintägigen Streik am 30. März kristallisiert sich heraus, dass es eine große Mehrheit für diesen Streik geben wird.
Irland hat sich in den letzten Jahren verändert. Es hat auch große soziale Veränderungen gegeben. Aber es ist eine entscheidende Tatsache, dass die irische Bourgeoisie sehr schwach ist und vom Imperialismus beherrscht wird und sich einer Arbeiterklasse gegenüber sieht, die beginnt, sich in vollem Ausmaß zu erheben.
Wir haben darauf hingewiesen, dass die Vorbereitung auf den Streik ein bisschen einem Pokerspiel ähnelt. ICTU-Führer David Bregg und andere hohe Gewerkschaftsfunktionäre hätten gern ein Abkommen, dass sie ihren Mitgliedern verkaufen können. Die Bosse wollen Gespräche und es ist möglich, dass die Gewerkschaftsführer dies als Möglichkeit für Verhandlungen sehen, für die sie ein starkes Mandat von den Mitgliedern haben.
Gleichzeit werden Ministerpräsident Cowen und die Bourgeoisie aber nicht nachgeben, wenn sie es nicht absolut müssen. Die Regierung befindet sich in einem großen Dilemma, sie muss die ArbeiterInnen für die Krise zahlen lassen, aber sie kann es sich nicht leisten, dass die Bewegung außer Kontrolle gerät. In ganz Europa ist der Zorn der ArbeiterInnen zu wahrzunehmen und in vielerlei Hinsicht ist Irland der kranke Mann.
Dieser Zorn wird ebenfalls durch die Labour Party kanalisiert. Die Umfragen der Partei durchbrechen die Schallmauer. Trotz der Bemühungen von Parteichef Eamon Gilmore, den Generalstreik zu verhindern und sich stattdessen für Gespräche zwischen den Bossen und den Gewerkschaften einzusetzen, ist es möglich, dass die Arbeiterbewegung beginnt, die Labour- Führer dazu zu zwingen, eine linke Politik zu betreiben. Auf der Tagesordnung der diesjährigen Parteikonferenz steht unter anderem die deutliche Forderung nach einer Verstaatlichung der Banken unter öffentlicher Kontrolle. Der Zorn der ArbeiterInnen wird sich bei dieser Konferenz in einem gewissen Ausmaß widerspiegeln.
Der 30. März könnte möglicherweise zu einer großen Demonstration des Zorns der ArbeiterInnen werden. Hunderttausende werden sich an dem Streik beteiligen und auf die Straße gehen. Tatsächlich könnte er sich zu einem Generalstreik entwickeln. Nichts würde sich bewegen, die Regierung würde in der Luft hängen, nicht nur in Dublin, Cork und Limerick, sondern auch in Galway, Waterford, Athlone, Wexford und in jeder kleinen Stadt. Die Urabstimmungsergebnisse überschlagen sich. Die Services, Industrial Professional Technical Union (SIPTU), die LehrerInnen, die Krankenhausangestellten, die Technical Electrical and Engineering Union (TEEU) alle kommen auf die Straße. Das Abstimmungsergebnis bei IMPACT, der größten Gewerkschaft im öffentlichen Dienst, liegt bei 65% für den Streik und der Vorstand hat ein Treffen anberaumt, um zu entscheiden, welchen Spielraum es gibt, um den Beschluss einer 2/3-Mehrheit zu umgehen. Selbst bei der UNITE, die große Teile des privaten Sektors vertritt, stehen die Ergebnisse auf des Messers Schneide. Selbst wenn sich die Gewerkschaftsführer vor einer direkten Konfrontation scheuen, so sagt doch die Zahl der Streikbefürworter einiges über die Stimmung in der Arbeiterklasse aus.
Ein eintägiger Generalstreik demonstriert die Macht der Arbeiterklasse und er gibt den Menschen ein klares Bild von dem, was sie durch einen gemeinsamen Kampf erreichen können. Es ist keine Überraschung, dass der große irische Arbeiterführer James Connolly die Gewerkschaften und die Labour Party als entscheidende Organisationen der Arbeiterklasse zur Transformation der Gesellschaft sah. Es wird aber ein Programm benötigt, welches einen Ausweg aus der Krise weist.
- Eine Grundlage dieses Programms ist die Verstaatlichung des gesamten Bankensystem unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse.
- Die Verstaatlichung von Waterford Crystal und anderer Fabrik, in denen Massenentlassungen auf der Tagesordnung stehen und die Weiterführung dieser Betriebe unter Arbeiterkontrolle.
- Die Bosse müssen für die Krise zahlen.
- Arbeitskampfmaßnahmen zur Verteidigung der Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen. Kein Lohnverzicht, keine Arbeitszeitverlängerung.
- Keine Besteuerung der Renten. Schickt Cowen und die Fianna Fáil in die Wüste.
- Keine Koalition mit der Fianna Fáil und der Fine Gael, für eine Mehrheitsregierung der Labour Party mit einem sozialistischen Programm.
- Keine Zusammenarbeit mit den Bossen; Labour muss die ArbeiterInnen in ihrem Kampf unterstützen.
Viele irische ArbeiterInnen fangen an, politische Schlüsse aus der Krise zu ziehen. Die wichtigste Aufgabe für alle irischen MarxistInnen besteht darin, sich zusammenzuschließen und das Fundament für eine Kraft zu legen, die beginnt, die Führung der Arbeiterbewegung herauszufordern. Mit einer vorausschauenden marxistischen Führung würde die Macht der irischen Arbeiterklasse alle Hindernisse aus dem Wege räumen.
Source: Der Funke - Germany