Amerikanische Studenten verbrennen ihren Einberufungsbefehl. Jane Fonda protestiert. Bauarbeiter mit Schutzhelmen verprügeln protestierende StudentInnen. Diese Bilder der Anti-Vietnamkriegsproteste werden einem angesichts der erneuten Kriegsvorbereitungen in den USA in Erinnerung gerufen.
Die Fotographie der Schutzhelme tragenden Bauarbeiter war die einzige auf der ganzen „Resistance“ - Ausstellung im Stockholm Museum der Modernen Künste auf welcher überhaupt irgendwelche ArbeiterInnen zu sehen waren. Das Ziel dieser Ausstellung war es über die Protestbewegungen der 1960er Jahre bis heute zu berichten. Die Ausstellung erzeugt den Eindruck, dass sich einzig ein paar unerschrockene Individuen gegen den US-Imperialismus gewehrt haben. Doch die Wirklichkeit war anders und wird anders sein.
Weder protestierende StudentInnen (Studenten wurden übrigens nicht einberufen) noch einzelne Intellektuelle, noch die militärischen Eroberungen der vietnamesischen Armee haben wesentlich zum Frieden in Vietnam beigetragen. Es war die amerikanische ArbeiterInnenklasse, in Uniform und ohne, welche mehr als alles andere diesem Krieg ein Ende gesetzt hat.
Der Hintergrund des Vietnamkriegs ist folgender. 1954, nach der vernichtenden Niederlage in Dien Bien Phu war Frankreich, nach einem Jahrhundert der Kolonialherrschaft, gezwungen Vietnam zu verlassen. Nach dem Abgang Frankreichs war die Kommunistische Partei Vietnams, unter dem Vorsitzenden Ho Chi Minh, an der Reihe die Macht zu übernehmen.
Aber China und die Sowjetunion befürchteten, dass die französische Niederlage ein zu großer Schlag gegen den Imperialismus sein könnte und dadurch die Terror-Balance des Kalten Krieges gefährdet ist. So wurde, anstatt die französische Armee fliehen zu lassen, eine Übereinkunft erzwungen, welche vorsah die Truppen von Ho Chi Minh in den Norden zu verfrachten und die französischen in den Süden. Die Franzosen sollten weiter bis zu den für 1956 geplanten Parlamentswahlen über den Süden herrschen. Nach den Wahlen sollte der Sieger das ganze Land regieren.
Eine Parlamentswahl fand nie statt. Dafür wurde Ngo Ding Diem, ein in den USA lebender Vietnamese, ins Land geflogen und als Regent eingesetzt. Durch eine massive politische, wirtschaftliche und militärische Intervention schufen die USA einen neuen Staat: Süd-Vietnam. Dieser Staat hat dann begonnen Nord-Vietnam anzugreifen. Der damalige US-Präsident Eisenhower sagte später, dass er der Überzeugung war, dass Ho Chi Minh 80% der Stimmen bekommen hätte, wären freie Wahlen abgehalten worden (Präsident Eisenhower, „Mandate for Change“ S372).
Zu jener Zeit war der Kalte Krieg zwischen der Sowjetunion und China auf der einen, den USA auf der anderen Seite an seinem Höhepunkt. Die USA waren nicht bereit das Wegbrechen eines weiteren Landes aus ihrer Einflusssphäre zu akzeptieren.
Aber es gab auch „klassische“ Interessen, welche die US-Intervention erklären. Bereits 1954 wurde im „U.S. News and World Report“ der Artikel „Why is the US risking a war in Indochina“ veröffentlicht. Dieser Artikel, erschien am 4. April 1954 und erklärte: „Eines der reichsten Gebiete der Welt wird sich für den Sieger in Indochina eröffnen. Das liegt hinter dem wachsenden Interesse der USA … Zinn, Gummi, Reis, strategisch wichtige Schlüsselprodukte sind der wahre Grund für diesen Krieg. Die USA sehen dies als eine Gegend an, über die sie auf jeden Fall ihre Kontrolle erhalten wollen.“ Natürlich waren auch billige Arbeitskräfte ein Punkt. In den Worten der „Business Week“ vom 20. April 1963: „Seit Ende der 40er Jahre und immer mehr während den 50ern hinauf bis heute, entdeckten amerikanische Firmen in einem Sektor nach dem anderen, dass ihre ausländischen Einkünfte dauernd stiegen. Ihre Einnahmen waren im Ausland normalerweise beträchtlich höher als in den USA.“ Kein Wunder, betrugen die Löhne im Ausland doch nur ein Bruchteil dessen was daheim gezahlt wurde.
Die Kommunistische Partei Süd-Vietnams gründete eine Guerilla-Armee, die NFL, um das Diem-Regime und die USA zu bekämpfen. Bis zur Tet Offensive 1968 war die NFL die größte bewaffnete antiamerikanische Kraft in Süd-Vietnam. Durch die massive Unterstützung der Bevölkerung, vor allem im ländlichen Gebiet, war es der NFL möglich zuzuschlagen und schnell wieder zu verschwinden. Das brachte die CIA dazu, die vietnamesische Bevölkerung gezielt zu terrorisieren, um sie davon abzuhalten die Mitglieder der NFL zu schützen und sie mit Essen und sonstigen lebensnotwendigen Dingen zu versorgen. Ab 1967 wurde das töten ganzer Familien integraler Bestandteil der CIA Anti-Terror Agenda (Douglas Valentine, „Fragging Bob“).
Als klar wurde, dass die Armee Süd-Vietnams die Guerilla nicht besiegen konnte, wurde die USA immer tiefer und tiefer in den Krieg hineingezogen. Die bewaffnete amerikanische Intervention in Vietnam begann 1963. Im August dieses Jahres befahl der Präsident der Vereinigten Staaten Lyndon B. Johnson die erste Bombardierung Nord-Vietnams. 6 Monate später begann die Operation „Rolling Thunder“. Während dieser Operation wurden mehr Bomben über Vietnam abgeworfen, als insgesamt im 2. Weltkrieg. Das entspricht ca. 150 kg in Bomben für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in Vietnam. Insgesamt starben in diesem Krieg 2 Millionen VietnamesInnen und über 50.000 amerikanische Soldaten. Chemische Waffen haben 10% der Oberfläche des Landes entlaubt.
Im letzten Jahrzehnt wurde der Irak fast durchgehend von den USA bombardiert. Der Grund dafür ist laut US-Regierung, dass unter anderem die chemischen Waffen des Irak zerstört werden sollen. Aber bei der Bekämpfung der vietnamesischen Guerilla, versteckt unter dem Laub der Bäume, zögerte die US-Regierung nicht chemische Kriegsführung anzuwenden. Anscheinend sind für die USA chemische Waffen nur dann unangenehm, wenn sie sie nicht selber einsetzen.
Die Anzahl der in Vietnam stationierten US-Soldaten stieg von 23.300 im Jahre 1963 an zu 184.000 1966. Der Höhepunkt wurde im Jänner 1969 mit 542.000 US-Soldaten in Vietnam erreicht. Nichtsdestotrotz war die U.S. Army nicht fähig Vietnam zu unterwerfen.
In der Nacht des 31. Jänner 1968 starteten die Armee Nord-Vietnams und die NFL die Tet Offensive. Die NFL brach den Waffenstillstand der für Silvester geschlossen wurde und kämpfte sich nach einem Ablenkungsmanöver in der Provinz Khesan zu über 100 Städten durch, einschließlich Saigon, der Hauptstadt Süd-Vietnams.
Die Amis waren vollkommen überrascht. Während der Tet Offensive gelang es der NFL sogar die amerikanische Botschaft in Saigon einzunehmen. Über Kontakte und Spione gelang es der NFL Waffen, Munition und Sprengstoff an einem geheimen Platz zu horten. Um 3:15 Uhr fuhr dann eine Gruppe Guerilleros mit dem Taxi zur Botschaft. Innerhalb weniger Minuten waren die 5 Diensthabenden Wachen umgebracht und das Gebäude besetzt. Außerdem übernahmen die Guerilleros das Hauptquartier der U.S. Army und der südvietnamesischen Armee, sowie eine riesige amerikanische Militärbasis, nördlich des Lufthafens von Saigon. 14 Guerilleros, welche die wichtigste Radiostation in Saigon erobern wollten, sprengten das Gebäude und sich selbst nach achtzehnstündiger Belagerung in die Luft.
Die amerikanischen Generäle waren erstaunt von der Größe und Tragweite der Offensive. Einer von ihnen meinte das Angriffsmuster habe Ähnlichkeit mit einem Flipper-Spiel bei welchem die Lichter während jedem Angriff aufblitzen. Es besteht kein Zweifel darüber, dass dies einer der waghalsigsten Feldzüge in der Geschichte war. Der nordvietnamesische General Giap bereitete diesen Angriff seit September 1967 vor, als er realisiert hatte, dass der Krieg in eine Pattsituation gekommen war und etwas getan werden musste um dies zu durchbrechen.
Trotzdem war die Offensive kein militärischer Erfolg. Die NFL verlor über 50.000 MitstreiterInnen, die AmerikanerInnen und Süd-VietnamesInnen 6.000. Zusätzlich verlor die NFL den größten Teil ihrer Kommandostruktur. Innerhalb weniger Tage wurden sie aus den meisten, eben erst eroberten Positionen wieder weggefegt. Während der Tet Offensive erreichte die Guerillaaktivität in Vietnam ihr höchstes Level und zugleich wurde sie für den Rest des Krieges marginalisiert.
Die NFL hoffte, dass die Tet Offensive einen Aufstand der städtischen Bevölkerung entfachen würde. Die stalinistischen Führer der NFL glaubten, dass sie quasi per Knopfdruck eine Massenbewegung einschalten könnten. Der Aufstand war sehr begrenzt. Nach der Tet Offensive wurde der größte Teil des Kampfes gegen die USA von der regulären Armee Nord-Vietnams übernommen.
Aber wie sich herausstellte, brachte die Tet Offensive doch einen Wendepunkt, denn sie beeinflusste die Meinung der amerikanischen ArbeiterInnenklasse sehr stark. Zum ersten Mal in einem größeren Krieg offenbarte sich die Macht des Fernsehens. 50 Millionen Menschen sahen so die Zerstörung die der Krieg brachte. Die US-Regierung war nicht länger in der Lage den Krieg als sauber, einfach und leicht zu gewinnen darzustellen. Als Fakten über das Song My - Massaker (im kleinen Dorf My Lai) zu den Medien durchsickerten, änderte sich das Bild vieler Menschen grundlegend und die heimische Opposition gegen den Krieg schwoll an.
Was wirklich am 16. März 1968 passierte, als eine Gruppe amerikanischer Soldaten ein kleines Dorf in Süd-Vietnam einnahm, wurde erst am 13. November 1969 öffentlich bekannt. So beschreiben Adam Silverman und Kirstin Hill diese Ereignisse in ihrem Buch „The My Lai massacre: An American Tragedy“: „Die amerikanischen Soldaten schossen auf alles was sich bewegte, inklusive Vieh, Hühner, Vögel und um einiges schlimmer: ZivilistInnen. Die DorfbewohnerInnen wehrten sich auf keine Weise; trotzdem warfen Soldaten Handgranaten in Hütten, brüllten Befehle und töteten ohne Unterscheidung. Die Gewalttaten dauerten den ganzen Morgen an. Säuglinge wurden getötet, Kleinkinder erschossen und Frauen mit vorgehaltener Waffe vergewaltigt. Bald schon lagen 500 tote ZivilistInnen am Boden. Aber ihre Arbeit war noch nicht beendet… schließlich wurde das ganze Dorf angezündet. Körper, Heime, Vorräte, Nahrung – alles wurde verbrannt.“
Es stellte sich heraus, dass hochrangige Offiziere an beidem schuld waren: Dem Massaker und der späteren Vertuschung. Vor Gericht wurden aber nur vier Soldaten gebracht und nur einer, Calley, wurde verurteilt. Nach drei Jahren Hausarrest wurde er von Präsident Nixon begnadigt.
Song My war eines der brutalsten Beispiele der Verletzung jeglichen Menschenrechts durch die USA, aber es war keinesfalls eine Ausnahme. Die Misshandlung und Tötung der Zivilbevölkerung war üblich. In welchen Größenordnungen dies stattfand, lässt das neue Buch "The Trial of Henry Kissinger" von Christopher Hitchens erahnen. Darin steht, dass die U.S. Army zugibt, während der Operation "Speedy Express" im Frühjahr 1969 insgesamt 10.899 Feinde getötet zu haben, aber nur 784 Waffen dabei eingenommen wurden!
Henry Kissinger, Nationaler Sicherheitsberater der USA, verstand die Folgen der öffentlichen Meinungsverschiebung nach der Tet Offensive: "Ungeachtet wie effektiv unsere Aktionen sind, die momentane Strategie kann ihre Ziele nicht in einer der amerikanischen Öffentlichkeit zumutbaren Zeit oder zumutbarem Einsatz von Streitkräften erreichen."
Beachten wir dabei, dass das Kleinbürgertum in den USA (ausgedrückt als Prozentwert der Gesamtbevölkerung) das kleinste in der gesamten industrialisierten Welt ist, während die ArbeiterInnenklasse den bei Weitem größten Teil der amerikanischen Bevölkerung ausmacht. Also wenn Kissinger von der Bevölkerung spricht, meint er damit die ArbeiterInnenklasse und nicht eine Hand voll wütender College - Studenten.
1963, unmittelbar nach der Amtseinführung von Lyndon B. Johnson sprachen ihm in einer Umfrage 80% der Bevölkerung ihr Vertrauen aus. (Bush erreicht zurzeit ähnlich hohe Unterstützungswerte in den USA.) Bis 1967 sank die Unterstützung auf 40%. Nach der Tet Offensive waren es noch 30% Unterstützung und lediglich 26% billigten seine Kriegspolitik.
Neben der Tatsache, dass es eine breite Unzufriedenheit gab, ist es interessant sich anzusehen, welche Gruppen dies am meisten betraf. Eine Umfrage aus dem Jahre 1971 zeigte, dass 60% der US-Bürger mit College - Abschluss einen amerikanischen Rückzug aus Vietnam befürworteten. Wie auch immer, 75% jener mit bloß High - School - Abschluss und gar 80% jener ohne Sekundärschulabschluss befürworteten einen Rückzug.
Die Medien verdrehten diese Fakten komplett, und tun dies auch weiterhin. In seinem Buch "Lies My Teacher Told Me" schreibt James Loewen von einem aufschlussreichen Experiment, welches er mehrere Male in den 90er-Jahren durchführte. Während seiner Vorlesung forderte er die HörerInnenschaft auf, das Bildungsniveau jener zu schätzen, die 1971 gegen den Vietnam-Krieg waren. Laut ihren Schätzungen waren 90% der College - AbsolventInnen und 60% der High - School - AbsolventInnen KriegsgegnerInnen. Beinahe eine völlige Umkehrung der Tatsachen.
Die Opposition der amerikanischen ArbeiterInnenklasse zum Krieg war hauptsächlich durch persönliche Erfahrungen bedingt. Ihre Kinder waren es, die die Schmutzarbeit in Vietnam zu verrichten hatten. Ihre Kinder waren es, die in Leichensäcken, verstümmelt oder geistig gebrochen zurückkamen. Und alles aufgrund eines Krieges, der nicht ihrer war und ihnen nichts geben konnte. Es war auch die ArbeiterInnenklasse, die den Löwenanteil des Krieges durch ihre Steuer zu zahlen hatte.
Die Kinder reicher Familien konnten die Einberufung meist vermeiden, da sie oft College - Studenten waren. Ansonsten bekamen sie gemütliche befelshabende Positionen zugeschanzt, weit weg vom Horror der Schlachtfelder.
Insgesamt wurden 2,59 Millionen Amerikaner nach Vietnam zum kämpfen geschickt. Die Erfahrungen die sie dort machen mussten waren schrecklich und hatten extrem demoralisierende Auswirkungen. Die Kriegsberichte der zurückgeschickten Soldaten zogen ein in die amerikanischen Haushalte und umgekehrt wurden die Soldaten durch die Antikriegsbewegung beeinflusst.
Umfassende Belege für die Demoralisierung der Truppe finden sich in dem Buch "The Collapse of the Armed Forces", geschrieben von Colonel Robert D. Heinl Jr., einem bekannten Militärhistoriker. Die Auszüge dieses Buches, welche hier ausführlich zitiert werden, wurden erstmals im "Armed Forces Journal" (einer offiziellen U.S. Army Zeitschrift) im Juni 1971 veröffentlicht. (Heinl war bei weitem nicht der Einzige, der über den Niedergang der U.S. Army schrieb. Die Beweisführung dazu wurde beinahe ein eigenes Genre. Z.B. "GI resistance: Soldiers and Veterans Against the Viet Nam War - A Bibliography")
"Die Moral, Disziplin und Kampfbedingungen der Streitkräfte sind, mit einigen Ausnahmen, schlechter denn je in diesem Jahrhundert und vielleicht schlechter denn je in der Geschichte der USA. In jeder erdenklichen Weise befinden sich die in Vietnam befindlichen Streitkräfte am Rande des Zusammenbruchs. Abgespaltene Einheiten vermeiden oder verweigern den Kampf, töten ihre Offiziere, sind voll gepumpt mit Drogen und ohne Enthusiasmus, wenn nicht gar kurz vor der Meuterei."
"Obwohl kein hochrangiger Offizier (speziell wenn er im Dienst ist) offen eine gleiche Einschätzung tätigen kann, wird der obige Schluss ... beinahe einstimmig bestätigt durch eine Reihe anonymer Interviews mit hoch- und mittelrangigen Offizieren, wie auch von niederen Offizieren in allen Positionen."
"Die später nach Vietnam geschickten Truppen, die einer 500.000 Mann Armeeangehörten, ursprünglich die beste Armee die je von den USA in den Kampf geschickt wurde, versuchten sich von einem albtraumhaften Krieg zurückzuziehen.
"Ein amerikanischer Soldat, stationiert in Cu Chi, wird in der ‚New York Times’ zitiert. Er erzählt von eigenen Einheiten für Soldaten die sich weigern zu kämpfen. Es ist keine große Sache mehr, seine Teilnahme an Kampfhandlungen zu verweigern. Wenn ein Soldat irgendwohin geschickt wird, tut er sich den Ärger der Verweigerung nicht mehr an. Er packt dann einfach sein T-Shirt ein und besucht einen Freund auf einem anderen Stützpunkt. Viele Jungs tragen nicht mal mehr ihre Uniform... Die amerikanischen Garnisonen auf den größten Stützpunkten sind eigentlich entwaffnet. Berufssoldaten konfiszieren ihre Waffen und sperren sie weg.’"
"Könnte das wirklich üblich sein oder überhaupt stimmen? Die Antwort ist leider Ja. Bis jetzt ist "Fragging" die bevorzugte Ausdrucksweise für den Mord oder versuchten Mord an einem autoritären, unbeliebten oder aggressiven Offizier. Wenn Offiziere als tot gemeldet werden gibt es Beifall in den Schützengräben oder Kinosälen einiger Regimenter."
"In der GI Untergrund-Zeitung "GI Says" wurde eine Belohnung von 10.000 US-Dollar für den Mord an Leutnant Colonel Weldon Honeycutt geboten, kurz nach dem verlustreichen Angriff bei Hamburger Hill, Mitte 1969, der von Honeycutt initiiert und ausgeführt wurde."
"Das Problem der Einsatzverweigerung, ein Hüllwort für Gefechtsverweigerung und das schlimmste Verbrechen, welches ein Soldat begehen kann, tauchte wieder auf als Trupp B der Ersten Kavallerie an der Laotian - Grenze sich weigerte, das Kommandofahrzeug ihres Captains, inklusive Geräte, Signalcodes und geheimen Befehlen, zurückzuholen. Bereits 1969 setzte sich eine ganze Kompanie von 196 leichten Infanteristen mitten im Schlachtfeld nieder. Später dieses Jahres weigerte sich eine Einheit der berühmten First Air Cavallary Division, live gefilmt von CBS, auf einem gefährlichen Fußpfad vorzudringen."
"Suche und weiche aus (wenn eine Einheit unauffällig Kampfhandlungen vermeidet) ist mittlerweile ein allgemeines Prinzip. Die GI-Ausdrucksweise hierfür ist "CYA (cover your ass) and get home". Dass die Praxis von suche - und - weiche - aus vom Feind nicht unbemerkt blieb wurde bei den Friedensverhandlungen in Paris dadurch betont, dass die Viet Cong - Delegation erklärte: ’Kommunistischen Einheiten in Indochina wurde befohlen, amerikanische Einheiten nur anzugreifen wenn sie von diesen provoziert werden.’"
Es ist schwierig genau anzugeben, wie viele Offiziere durch "fragging" starben, also von ihren eigenen Männern umgebracht wurden, aber eine inoffizielle amerikanische Militärpolizei-Homepage (http://home.mweb.co.za/re/redcap/vietcrim.htm) gibt folgende Zahlen an.
"Zwischen 1969 und 1973 gab es laut dem Historiker Terry Anderson von der Texas A&M University ein verstärktes Auftreten von "fragging". Die U.S. Army hat keine genauen Zahlen darüber, wie viele Offiziere auf diese Art gestorben sind. Aber sie wissen von mindestens 600 Fällen von bestätigtem "fragging" und weiteren 1.400 verdächtigen Fällen. Daraus resultiert, dass die USA zu Beginn von 1970 nicht gegen den Feind Krieg führten, sondern gegen sich selbst."
Es war nicht die Brutalität des Krieges die zur Desintegration der U.S. Army führte. Alle Kriege sind brutal. Die Essenz des Krieges ist es, Konflikte mit allen zur Verfügung stehenden Kräften zu lösen. Amerikanische Soldaten waren auch im 2. Weltkrieg Opfer und Verursacher von Brutalität. Sie glaubten gegen den Faschismus und für die Verteidigung der Demokratie zu kämpfen.
So sehr die amerikanische Propaganda auch versuchte den Vietnamkrieg als gerechten Kampf für eine bessere Welt darzustellen, die in Vietnam stationierten, amerikanischen Soldaten brauchten nicht lange um festzustellen, dass dies nicht der Fall war. Tendenzen zur Rebellion gab es sogar gegen Ende des 2. Weltkriegs, aber das war als versucht wurde, Truppen gegen die Kommunisten in Italien und anderen Orten einzusetzen.
Einfache amerikanische ArbeiterInnen waren stark beeinflusst, von dem was ihre Söhne in Vietnam durchmachen mussten. Und sie blieben nicht untätig. Schon 1965 versammelten sich 25.000 Menschen in Washington, 20.000 in New York und 15.000 in Berkeley, Kalifornien um gegen den Krieg zu demonstrieren. Im April 1967 demonstrierten 300.000 Menschen in New York.
Mehrere so genannte Moratoriums-Tage wurden von den zwei größten Antikriegsorganisationen organisiert. (Moratorium wird als zeitweilige Unterbrechung definiert). Der umfangreichste dieser Tage war der 15. Oktober 1969. Vermutlich über 5 Millionen Menschen waren auf die eine oder andere Art involviert. Es gab Demonstrationen, "Sit-ins", "Teach-ins" und andere organisierte Aktivitäten. Einige Aktivitäten waren klein - eine Kerze anzünden, die Scheinwerfer angeschalten lassen. In New York erklärte der Bürgermeister den Tag zum Trauertag, die Fahnen wehten auf Halbmast. Die Soldaten in Vietnam trugen schwarze Armbinden.
Die größte Demo gab es am 24. April 1971. In San Francisco versammelten sich circa 300.000, in Washington zwischen 500.000 und 750.000 Menschen. Dies waren vermutlich die größten politischen Demonstrationen in der Geschichte der USA.
Natürlich wurde auch auf den Universitäten protestiert. Während dem Nachkriegsboom öffneten sich die Universitäten und gegen Ende der 60er Jahre studierten Millionen von ArbeiterInnenkindern auf diversen Colleges in ganz Amerika. Viele der größten und kämpferischsten Protestaktionen wurden auf Universitäten initiiert, die nicht von reichen StudentInnen dominiert wurden, wie z.B. Kent State, San Francisco State und die öffentlichen Colleges in Michigan, Maryland und Wisconsin. Jedoch nahmen die studentischen Proteste zu Beginn der 70er Jahre ab. Verschiedene linke Sekten begannen die Bewegung zu dominieren und fragmentierten sie durch ihre unproduktiven Zankereien. Umso wichtiger waren die Auswirkungen der Antikriegsbewegung auf die ArbeiterInnenorganisationen
Die amerikanischen Gewerkschaften machten während der 30er Jahre eine explosive Entwicklung durch, geprägt von Wachstum und Radikalisierung. Während der 50er Jahre schwand die aktive Teilnahme der gewöhnlichen ArbeiterInnen, da die Arbeitsbedingungen besser wurden und die antikommunistische Hysterie während des Kalten Krieges die Gewerkschaften zu dominieren begann. Ein starker Bürokratisierungsprozess setzte ein.
In den 60ern stieg die Gewerkschaftsaktivität wieder stark an. Trotz deutlich verbesserter Wirtschaftslage hatten die Menschen unter schlechten Jobs und autoritären Strukturen beim Arbeitsplatz zu leiden. Viele Streiks fanden statt, besonders im Bereich der Schwerindustrie, umfangreiche Gewerkschaftskampagnen wurden initiiert um LandarbeiterInnen, Beschäftigte im Gesundheitswesen und Beamte zu organisieren. Aber im Endeffekt wurde die Bewegung von der Gewerkschaftsbürokratie abgebremst.
Der Präsident des AFL-CIO (American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations, "amerikanischer ÖGB"), George Meany, personifizierte diese Bürokratie. Seine Position zum Krieg war klar. Abgesegnet von Meany, bestand das Internationale Sekretariat des AFL-CIO hauptsächlich aus CIA Agenten. Im Juni 1966 gab der Vorstand des AFL-CIO folgendes Statement heraus: "Jene die unsere Streitkräfte nicht bedingungslos unterstützen, helfen im Grunde dem kommunistischen Feind, in einer Zeit, in der die U.S. Army durch die Verteidigung von Friede und Freiheit in der Welt die schwerste Last auf ihren Schultern trägt."
Natürlich war es für die ständig schikanierte und drangsalierte Opposition nicht leicht ihre Meinung kundzutun. 1967 wurde beim AFL-CIO Kongress eine Antikriegsresolution vorgelegt. Sie wurde mit 2.000 zu 6 Stimmen abgelehnt.
Trotzdem begannen einige Ortsgruppen bereits 1965, sich gegen den Krieg zu positionieren. Die UAW (Autoworkers Union) trat im Juni 1969 von AFL-CIO aus und gründete zusammen mit der Teamsters (Transport Worker's Union) die Alliance for Labor Action. Die Alliance unterstützte die Forderung nach einer sofortigen Beendigung des Krieges.
Immer mehr Teilgewerkschaften übernahmen die Antikriegshaltung. Einzelne Teilgewerkschaften zeigten offene Unterstützung für die Antikriegsdemonstrationen und ihre Mitglieder nahmen haufenweise daran teil. 1972 waren vier von 21 Millionen gewerkschaftlich organisierten ArbeiterInnen offiziell gegen den Krieg. Bei den Präsidentschaftswahlen 1972 wählte die Hälfte aller gewerkschaftlich organisierten Haushalte den demokratischen Kandidat George McGovern, der einen sofortigen Rückzug aus Vietnam forderte. Und das obwohl Meany zum ersten Mal seine Unterstützung für einen demokratischen Kandidaten verwehrte.
In der Zwischenzeit gab es eine Reihe von Streiks und wilden Streiks. Meany's Thron wackelte. Sogar die Bauarbeiter zeigten sich von einer ungewohnten Seite. Im Juni 1970 folgte ein Reporter von "Daily News" einer Gruppe von AktivistInnen zu den Baugebieten von Chicago. Sie verteilten Antikriegsflugblätter, 90% der Männer mit denen sie sprachen waren gegen den Krieg und jeder fand es dumm StudentInnen zu verprügeln. (Phillip Foner, "US Labor and the Vietnam War").
Kein Parlament wurde gestürmt, keine Barrikaden errichtet, keine Präsidenten gestürzt (zumindest nicht innerhalb von zwei Jahren nachdem die US-Truppen abgezogen wurden). Trotzdem hat die amerikanische ArbeiterInnenklasse genug Stärke erreicht um die Truppen heimzuholen. Zumindest seit sie sich entschieden haben, ihre Söhne nicht sterben sehen zu wollen, für einen Krieg an den sie nicht glaubten, für den sie zu bezahlen hatten und der nur dem Establishment nutzte.
Das war kein Resultat irgendwelcher intellektueller Ideologien oder der Unterstützung der NFL und trotzdem war es so. Schlussendlich hat die Logik dieser Bewegung auch eine gewisse Sympathie für das vietnamesische Volk gebracht. Im Juni 1977 veröffentlichten New York Times/CBS News das Ergebnis einer Umfrage. Gefragt wurde: "Wenn der Präsident empfehlen würde Vietnam zu helfen, würden Sie von Ihrem Repräsentanten im Congress wollen, dass er dieser Hilfe für Vietnam, in Form von Nahrung und Medikamenten, zustimmt?" 66% sagten ja, 29% nein.
Die militärischen Ressourcen der USA waren weit überlegen. Sie kontrollierte den Luftraum und hatte uneingeschränkte Möglichkeiten, das Land zu bombardieren. Obwohl die Kosten hoch waren und bereits begannen sich auf die amerikanische Wirtschaft auszuwirken, hätten die USA aus rein militärischer Sicht viele weitere Jahre in Vietnam bleiben können. Aber es war nicht möglich diesen Krieg zu finanzieren, wenn sich die ArbeiterInnenklasse weigerte zu zahlen. Es war nicht möglich diesen Krieg fortzusetzen, wenn die amerikanische ArbeiterInnenklasse sich weigerte zu kämpfen. Wenn die Regierung das alles ignoriert und den Krieg weitergeführt hätte, wäre das Land bald am Rande einer Revolution gestanden.
1975, nach 28 Jahren Krieg, wurde der Imperialismus schließlich aus Vietnam vertrieben. Jetzt droht der US-Imperialismus wieder in den Krieg zu ziehen, diesmal gegen Irak. Wird sich dies als langer Krieg herausstellen, wird die amerikanische ArbeiterInnenklasse wieder einmal das Instrument sein, diesen Krieg zu beenden.